Flugblatt zu einer Protestkundgebung gegen die Pfeffermühle (1934)
Flugblatt zu einer Protestkundgebung gegen die Pfeffermühle (1934)
Bei mir daheim im Lügenland / Darf keiner mehr die Wahrheit reden, – / Ein buntes Netz von Lügenfäden / Hält unser grosses Reich umspannt. // Bei uns ists hübsch, wir habens gut, / Wir dürfen unsre Feinde morden. / Verleihn uns selbst die höchsten Orden / Voll Lügenglanz und Lügenmut
Erika Mann, Der Prinz von Lügenland, 1934
Im November 1934 kam es während der Auftritte der Pfeffermühle in Zürich zu Krawallen. Das dritte Exilprogramm, das einen Monat zuvor in Basel Premiere hatte, hatte an Schärfe deutlich zugenommen. Erika Mann hatte zum Gedenken an Erich Mühsam, der im Juli im Konzentrationslager Oranienburg ermordet worden war, dessen Text Der Revoluzzer aufgenommen. Das Programm stand unter dem Motto Lauter Märchen. Erika Mann führte als Conférencier in Gestalt einer Märchendichterin durch den Abend. Nummern wie Erika Mann mit Reitpeitsche und schwarzen Uniformstiefeln als Der Prinz von Lügenland oder Igor Pahlen mit Seitenscheitel und Zweifingerbart als Scharfrichter in Der Mann der Stunde waren unmissverständlich.
Den Anstoß für die von der Nationalen Front angeführten Proteste in Zürich gab das von Therese Giehse vorgetragene, eigentlich auf die Machtfülle Hitlers gemünzte Lied Weil ich will, das jedoch von den Zuhörern auf den nationalistischen Schweizer Oberst Wille bezogen wurde. Es kam zu Kundgebungen, Schlägereien und Verhaftungen. Die Auftritte konnten nur noch unter Polizeischutz fortgeführt werden.
Der verbleibende Teil der Tournee war von Absagen und Ausfällen gekennzeichnet. Mehrere Kantone erteilten der Pfeffermühle mit Verweis auf die Krawalle und die deutsche Klientel in den Kurorten keine Spielgenehmigung mehr. In der Schweiz kam es erst wieder zur Jahreswende 1935/36 zu einer letzten, zehnwöchigen Tournee.