Leo Perutz: Nachts unter der steinernen Brücke (Meisls Gut), Manuskript (1951)
Leo Perutz: Nachts unter der steinernen Brücke (Meisls Gut), Manuskript (1951)
Den ganzen Tag am Epilog gearbeitet. […] Um 10h Meisls Gut fertig. Traum von 27 Jahren Wirklichkeit geworden.
Leo Perutz am 11. März in seinem Notizbuch
Leo Perutz‘ Roman Nachts unter der steinernen Brücke erschien 1953 in der Frankfurter Verlagsanstalt. Seine Entstehungsgeschichte reicht weit in die Zeit vor dem Exil des Schriftstellers zurück. Bereits 1924 hatte Perutz – unter dem Titel Meisls Gut – mit dem Romanprojekt begonnen und zwischen 1936 und 1937 und mit Unterbrechungen 1943 bis 1951 daran gearbeitet. Nach seinem ersten Nachkriegs-Aufenthalt in Österreich schrieb er auf der Rückreise nach Tel Aviv – in einer Art „Arbeitswut“, wie er Freunden schrieb – gleich mehrere Kapitel am Stück. Die Entstehungsgeschichte umfasst damit mehr als 25 Jahre.
Das Buch besteht aus 14 Novellen und einem Epilog und erinnert an Giovanni Boccaccios Novellensammlung Dekameron. An der Wende vom 16. zum 17. Jahrhunderts kursiert im Prager Judenviertel die Pest. Nach und nach entwickelt sich um die Figuren Rabbi Loew, Mordechai Meisl und seine Frau Esther eine Geschichte, die erst spät offenbart, dass alle Figuren und Ereignisse Teil einer durchkomponierten zusammenhängenden Romanhandlung sind.
Perutz schöpft für die Novellen aus Sagen und Legenden einer europäischen Erinnerungskultur und verarbeitet zugleich seine eigenen Erfahrungen: Vertreibung und Exil. Später berichtete er, dass es ihm im Exil vor allem an Menschen fehle, denen er seine Geschichten erzählen könne. Nach einem gescheiterten Veröffentlichungsversuch und dem Erstdruck von 1953 erscheint das Buch erst seit den 1980er Jahren erfolgreich in mehreren Sprachen.