Richard Paulick: Skizzen eines Reihenhausentwurfs (1947)
Richard Paulick: Skizzen eines Reihenhausentwurfs (1947)
Die Trennung der Wohnung in spezialisierte Räume ist auf dem Lande noch völlig unbekannt. […] Der erste progressive Schritt, den wir in Kianwan gemacht haben, war deshalb die Abtrennung der Kochstelle vom Wohn-Schlafraum, der – ein Riesenfortschritt – in Ziegel gemauert statt in Kalkstein ohne Verfugung errichtet wurde. […] Sie stossen hier nicht nur auf Bedarfs- und Finanzierungsprobleme, sondern müssen zunächst mal den Anreiz zur Schaffung primitiver Bedürfnisse produzieren. Ich musste an die Karnickel in den Badewannen der Törtener Siedlung denken.
Brief von Richard Paulick an Georg Muche, 14. April 1949
Während seines Shanghaier Exils erhielt der Architekt Richard Paulick fast keine Aufträge für den Entwurf von Privathäusern. Nach dem Abschluss seines Studiums arbeitete Paulick im privaten Baubüro von Walter Gropius und konnte sich sogleich beim Bau des Arbeitsamtes, der Siedlung Törten in Dessau und der Versuchssiedlung in Berlin-Haselhorst beweisen. Die geistigen Grundbausteine dieser Projekte waren Licht, Luft, Wärme und Hygiene, die auf kleinstem Raum zu günstigen Preisen angeboten werden sollten. Diese Grundsätze behielt Richard Paulick auch bei den Entwürfen für die chinesischen Reihenhäuser bei. Die hier gezeigten Reihenhausentwürfe sind Ideen, die Paulick für Typenhäuser skizzierte. Für den Stadtteil Western-Chapai (Zhabei) schlug er den Bau von zweigeschossigen Reihenhäusern vor, die bei einer Länge von neun Metern in vier verschiedenen Breiten und Typen angeboten werden sollten. Abhängig von der Anzahl der Bewohner und der damit verbundenen Bettenzahl von vier bis acht Betten variiert die Breite der Häuser zwischen 4,25 und 7,25 Metern auf Grundstücken zwischen 80 und 174 Quadratmetern. Als zukünftige Bewohner der Häuser stellte sich Paulick die einfache Bevölkerung mit geringerem finanziellem Potential vor. Die Landbevölkerung sollte von dem technischen Fortschritt und Wohnkomfort profitieren, auch wenn diese die Neuerungen erst annehmen mussten, so wie in den 1920er-Jahren einige der Törtener Neusiedler die bestimmungsgemäße Verwendung von Badewanne erlernen mussten.
Paulick hatte gehofft, Shanghai nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder verlassen zu können, aber er besaß seit Ende der 1930er-Jahre keinen gültigen Reisepass und galt als staatenlos. Damit verlängerte sich sein Aufenthalt ungewollt um vier Jahre.