Felix Nussbaum: Orgelmann, Gemälde (1943)
Felix Nussbaum: Orgelmann, Gemälde (1943)
Mit dem Rücken zu einer apokalyptischen Straßenschlucht sitzt der letzte Überlebende der Katastrophe: ein Orgelmann, das melancholische Alter-Ego des Malers Felix Nussbaum. Er stützt sich auf die längst verstummte Orgel und blickt nachdenklich ins Leere. Aus den Bürgersteigen brechen Gerippe hervor, schwarze Pestfahnen hängen von blutverschmierten Häuserwänden herab. Die endzeitlich dargestellte Straße ist als die Rue Archimède in Brüssel identifizierbar. Ab 1937 lebten Nussbaum und seine Frau Felka Platek bis zur Inhaftierung und Internierung Nussbaums am 10. Mai 1940 in dieser Straße. Nach Nussbaums Flucht aus dem Lager kehrten die beiden Künstler 1943 in die Straße zurück und wurden dort von Freunden in einer Mansarde vor der deutschen Besatzungsmacht versteckt.
In diesem Versteck nahm Nussbaum die Arbeit an seinem Grmälde Orgelmann wieder auf, zu dem bereits im Juni 1942 eine erste Version entstanden war. Röntgenaufnahmen gewähren Aufschluss darüber, welche Partien von dem Künstler überarbeitet wurden. Die metallenen Orgelpfeifen ersetzte er durch Knochen. Über die Orgel legte Nussbaum einen grünen Mantel, diese Farbe steht in Nussbaums Werken für Tod und Zerstörung. Einziges Lebewesen in der dargestellten Welt dieses Gemäldes ist eine Fliege auf dem Leierkasten. Als Zeichen für die durch den Nationalsozialismus zerstörte Kultur des Abendlandes ist eine einbrechende dorische Säule zu sehen, ein Motiv, das Nussbaum bereits für das 1935 entstandene Gemälde Komisches Konzert einsetzte.