Felix Nussbaum: Selbstbildnis mit Geschirrtuch, Gemälde (1935)
Felix Nussbaum: Selbstbildnis mit Geschirrtuch, Gemälde (1935)
Wie sich das Exil in den eigenen Gesichtszügen niederschlägt, studierte der Maler Felix Nussbaum in einer Reihe von Selbstporträts, die ab 1936 vor dem Spiegel entstanden sind. Unter der Deformierung seines Gesichts und der äußeren Realität, die sein Gesicht grimassenhaft überformt, suchte Nussbaum sein inneres, unverstelltes Ich. Durch die Bilderserie wollte Nussbaum entgegen den politischen Umständen seine Identität behaupten. Das Selbstbildnis mit Geschirrtuch schließt die Reihe dieser Selbstporträts ab.
Auf diesem Bild ist Nussbaum vor der Dachsilhouette der belgischen Stadt Ostende zu sehen. Um den nackten Oberkörper hat er sich ein Geschirrtuch gebunden. Nussbaum war 1935 nach Ostende geflohen. Seine Cousine berichtete, dass viele Emigranten ein solches Küchenhandtuch, das als typisch Deutsch galt, mit ins Exil nahmen. Den Wenigsten war es möglich, viel Gepäck mitzunehmen. Im Exil konnte daher selbst ein Küchenhandtuch ein wenig Vertrautheit herstellen. Über einen Koffer ausgebreitet, vermittelte es nach den Beschreibungen der Cousine fast so etwas wie Gemütlichkeit. Auch Nussbaum vermisste im Exil die häusliche Geborgenheit. Das Geschirrtuch, das kaum die Blöße des Oberkörpers bedeckt, könnte Ausdruck dieser Sehnsucht sein.
Ebenso wie das Geschirrtuch könnte die kuriose Kopfbedeckung auf den Identitäts-Konflikt verweisen, den Nussbaum als verfolgter Jude erlebte. Das blau-weiße Geschirrtuch erinnert an einen Gebetsschal. Die Kopfbedeckung erscheint als eine Mischung aus der Baskenmütze eines Künstlers, einem umgekehrtem Trichter als Narrenhut und dem mittelalterlichem Hut eines Juden.