Soma Morgenstern: Die Blutsäule, Manuskript (zwischen 1946 und 1953)

Manuskript: Soma Morgenstern
Ansicht zum durchblättern: Soma Morgenstern, Die Blutsäule. Zeichen und Wunder am Sereth – „Endgültige Fassung“. New York, Auszüge aus dem Manuskript (1946–1953)
Deutsches Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek, Nachlass Soma Morgenstern, EB 96/242, © zu Klampen! Verlag, Springe

Soma Morgenstern: Die Blutsäule, Manuskript (zwischen 1946 und 1953)

Endgültige Fassung

Das will sagen: in keiner von den Sprachen, die ihm zugänglich waren, hatte er aufeinmal Sprache genug für dieses geplante Totenbuch. Monate, Jahre – jawohl, Jahre – litt er an dieser Sprachlosigkeit; und sooft er sie zu überwinden versuchte und die Feder in die Hand nahm, auch an Schreiblähmung.

Soma Morgenstern im nachträglichen Motivenbericht 1974/1975 für die israelische Ausgabe


Im Rückblick formuliert der Schriftsteller Soma Morgenstern so sein Ringen um Sprache, das richtungsweisend für die Entstehung seines Buches Die Blutsäule war, das er auch Totenbuch nannte. Der Text setzt sich unmittelbar mit der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden auseinander. Im New Yorker Exil hatte Morgenstern erfahren, dass unter den Menschen, die deportiert und getötet worden waren, auch seine Mutter, eine seiner Schwestern, sein Bruder und einer seiner Neffen waren. Morgenstern beschäftigte sich intensiv mit Filmzeugnissen und Berichten über die Verbrechen der Nationalsozialisten und suchte seitdem nach Möglichkeiten einer literarischen Bearbeitungsweise. Nach einem Besuch in Israel 1950 fand er schließlich eine Form für sein geplantes Buch.

Im Tonfall heiliger Sprache, fern von Alltäglichkeit, wird in 24 Kapiteln der von SS-Männern verübte Mord an jüdischen Bewohnern eines galizischen Dorfes erzählt. Immer wieder unterbrochen von Parabeln und Legenden kreist der Text um Fragen nach Schuld, Sinn und Gerechtigkeit. 1965 erhielt Morgenstern eine späte und wichtige Anerkennung für sein literarisches Werk: Passagen aus Die Blutsäule wurden in ein Gebetbuch für jüdische Feiertage Mahzor for Rosh Hashanah and Yom Kippur aufgenommen.

Ausgaben:
The third Pillar. Transl. From the German by Ludwig Lewisohn. New York: Farrar, Straus & Cudahy, 1955. Zugleich Philadelphia: Jewish Publication Society of America 1955
Die Blutsäule. Zeichen und Wunder am Sereth. Wien, Stuttgart, Zürich: Deutsch 1964
Amud Hadamim: Übersetzt von Manfred Winkler, Tel-Aviv: Mossad Abraham Joshua Heschel, 1976
Die Blutsäule. Zeichen und Wunder am Sereth. Hrsg. von Ingolf Schulte. Lüneburg: Zu Klampen 1997

Weiterführende Literatur:
Weidner, Cornelia: Ein Leben mit Freunden. Über Soma Morgensterns autobiographische Schriften. Lüneburg: Zu Klampen, 2004
Asmus, Sylvia (Hg.) / Lunzer Heinz, Lunzer-Talos, Victoria: Joseph Roth: So wurde ihnen die Flucht zur Heimat Soma Morgenstern und Joseph Roth. Eine Freundschaft. Bonn: Weidle 2012
Soma Morgenstern: Die Blutsäule. Zeichen und Wunder am Sereth. Hrsg. von Ingolf Schulte. Lüneburg: Zu Klampen 1997

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