Clément Moreau: La comedia humana / Nacht über Deutschland (1937/38), Teil 38 bis 52

Linolschnitt: Clément Moreau Nacht über Deutschland Abb. 38
Abb. 38: Clément Moreau, Einer der Gefangenen kehrt zurück, 20x16,5cm
© Stiftung Clément Moreau Zürich

Clément Moreau: La comedia humana / Nacht über Deutschland (1937/38), Teil 38 bis 52

107 Linolschnitte auf Japanpapier (Gampi),
Erstveröffentlichung im Argentinischen Tageblatt und Argentinia Libre, 1940

Für mich war vor allem der Stummfilm wichtig für die Arbeit an den Serien. Es ist immer der Versuch gemacht worden, über ein Thema so kurz wie möglich grafisch etwas festzuhalten. Im Stummfilm wird der Zuschauer ja auch nur durch das, was er mit dem Auge aufnimmt, beeinflusst. Die Bilder sprechen ohne Worte.

Clément Moreau in einem Interview, 1978/79


Einer der Männer steht unmittelbar vor der Entlassung aus dem Gefängnis (Abbildung 39). Unter dem linken Arm hält er das Bündel mit seinen Habseligkeiten. Das Gesicht unter dem Hut ist gezeichnet, die eingefallenen Augen blicken widerstandslos ins Leere. Das Gefängnis, in dem man diesen Mann gebrochen hat, schließt das Bild nach hinten ab. Die plumpe Faust des Uniformierten umklammert das Gittertor und versperrt dem Mann den Weg nach draußen. Die Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen, prüft er mit zusammengekniffenen Augen den Entlassungsschein.

Ein Höhepunkt im Zyklus La comedia humana / Nacht über Deutschland ist die Begegnung zwischen Vater und Sohn. In diesen vier Schnitten verdichtet der Grafiker Clément Moreau das Drama in der Nahaufnahme einer Familie. Stramm und mit herrischem Gesichtsausdruck schreitet der uniformierte Junge durch die Eingangstüre. Der Vater tritt aus dem Dunkel des Raumes. Mit ausgebreiteten Armen will er sein Kind begrüßen. Der Sohn steht ihm mit geduckter Körperhaltung gegenüber. Mit offenem Mund starrt er verärgert auf seinen Vater, der sein Feind geworden ist. Der Trotz entstellt sein Gesicht, mit dem so genannten Hitlergruß reagiert er auf den Vater. Sein Vater, ein Gegner Hitlers, hält für einen Moment inne. Sein Gesichtsausdruck verhärtet sich, dann schlägt er zu.

Die Szene wirkt wie ein Stummfilm, die Einstellung aller vier Schnitte ist auf die Eingangstüre gerichtet. Der Bildausschnitt ist eng gewählt und verändert sich kaum.

Thomas Miller, Stiftung Clément Moreau, Zürich

Galerie