Im schmalen Hochformat ist das Porträt des Germanisten Ernest Barker gehalten. Im linken unteren Bilddrittel ist das Profil angeschnitten. Der Schatten füllt den Rest des Bildes aus. Die aus Deutschland emigrierte Fotografin Lucia Moholy verwendet in diesem Porträt Bildmittel der zwanziger Jahre. „Dem breiten Publikum in Westeuropa erscheint dieser Stil fremd und exotisch. Es findet ihn interessant und diskutierenswert, aber nur wenige möchten sich in dieser Art porträtieren lassen“, stellt Lucia Moholy 1939 in ihrem Buch A Hundred Years of Photography fest.

Sir Ernest Barker gehörte zum weiteren Kreis von Lucia Moholys Bekannten, er lebte in Cambridge. Lucia Moholy nahm im November 1940 mit einem Brief wieder Kontakt zu ihm auf, nachdem sie während des Krieges, am 10. September 1940 aus ihrer Londoner Wohnung am Mecklenburgh Square evakuiert wurde. Sie hatte zwischenzeitlich bei Freunden in Putney gewohnt und bereits ihren früheren Ehemann László Moholy-Nagy in den USA um Hilfe gebeten. Als Direktor der School of Design in Chicago bot er ihr eine Stelle an. Doch Lucia benötigte für eine Einreise in die USA ein Leumundszeugnis, ausgestellt von einer angesehenen Persönlichkeit. Dieses hoffte sie von Professor Ernest Barker, der als Politikwissenschaftler an der Universität von Cambridge lehrte, zu erhalten. Barker schrieb an einen befreundeten Generalkonsul. Doch leider ohne Erfolg, die Einreise wurde ihr verwehrt.