Thomas Mann: Tagebucheintrag vom 15. März 1933

Tagebuch: Thomas Mann, 1933
Thomas Mann: Tagebucheintrag vom 15. März 1933
Thomas-Mann-Archiv Zürich, mit freundlicher Genehmigung von Frido Mann, © S. Fischer Verlage, Frankfurt am Main

Thomas Mann: Tagebucheintrag vom 15. März 1933

Der Charakter dieser Erregung, die neulich nachts, als ich zu K. [Thomas Manns Ehefrau Katia] meine Zuflucht nahm, zu einer heftigen Krisis führte, beweist, daß es sich um Schmerzen der Trennung von einem altgewohnten Zustand handelt, um die Erkenntnis, daß eine Lebensepoche abgeschlossen ist und daß es gilt, mein Dasein auf eine neue Basis zu stellen […].

Thomas Mann, Tagebuch, 15. März 1933


Die Tagebuch-Aufzeichnungen Thomas Manns vom 15. März 1933 vermitteln einen Eindruck von der großen Verunsicherung, die das jäh über den Schriftsteller hereingebrochene Exil-Schicksal bedeutete. Im Rückblick wird er die sich drei Monate hinziehende depressive Episode auf „das Herzasthma des Exils, den nervösen Schrecken der Heimatlosigkeit“ zurückführen.

Kennzeichnend für die frühe Phase seines Emigrantendaseins ist die ebenfalls im Tagebuch zum Ausdruck gebrachte Absicht, die neuen Machthaber aus Angst vor dem Verbot und dem damit verbundenen Verlust des eigenen Publikums nicht durch provokative Textpassagen gegen sich aufzubringen: Mit Bezug auf seinen umstrittenen Aufsatz Leiden und Größe Richard Wagners (1933) notierte Mann: „Ich habe, wie alle diese Tage, im Bett gefrühstückt und dann einige Zeilen, eilig, an Suhrkamp [damals Mitarbeiter in Manns Stamm-Verlag S. Fischer] geschrieben, die Streichung betreffend einer censurwidrigen Phrase im Wagner-Essay über den Nationalismus. Wo zu in diesem Augenblick diese Tiere reizen?“. Erst drei Jahre später wird Thomas Mann diese Beschwichtigungshaltung auf Druck seiner Familie und anderer exilierter Kollegen aufgeben.

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