Fotografie von Thomas Mann im Schauspielhaus Zürich (1938)
Fotografie von Thomas Mann im Schauspielhaus Zürich (1938)
Erst jetzt werde ich recht gewahr, wie sehr doch dieses Jahrfünft, in das ja auch mein rührend freundlich begangener sechzigster fiel, mich dem Schweizer Leben, schweizerischer Landschaft, schweizerischer Menschlichkeit verbunden hat.
Thomas Mann, Tagebuch, 13. September 1938
Die Fotografie zeigt den Schriftsteller Thomas Mann während seiner Abschiedslesung im Schauspielhaus Zürich. Am 13. September 1938 las der Schriftsteller dort einige Passagen aus seinem noch unvollendeten Roman Lotte in Weimar vor. Vorausgegangen waren für ihn bewegte Monate: Angesichts der aggressiven Expansionspolitik des nationalsozialistischen Deutschland hatte Mann Anfang 1938 den Entschluss zu einer Emigration nach Übersee gefasst. Nach dem Verlust der Autonomie Österreichs im März dieses Jahres schien ihm die politische Unabhängigkeit der Schweiz, wo er seit Herbst 1933 lebte, zusehends bedroht.
Obgleich er sich dem Land inzwischen heimatlich verbunden fühlte, kalkulierte er die „Gefahren einer europäischen Explosion“ schon seit Sommer 1934 nüchtern ein. Bestärkt durch mehrere erfolgreiche Vortragsreisen durch die USA und einen Empfang bei Präsident Roosevelt, wählte der Literatur-Nobelpreisträger die Universitätsstadt Princeton im Bundesstaat New Jersey als neuen Wohnort. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Katia besuchte er im Sommer 1938 jedoch nochmals Zürich, um sich feierlich aus jenem Land zu verabschieden, das ihm seit 1933 zur zweiten Heimat geworden war. Dort kam ihm laut einer Tagebuchnotiz „alles etwas wie im Traum vor“. Vier Tage nach seiner Lesung im Schauspielhaus schiffte sich Thomas Mann mit seiner Frau und der jüngsten Tochter Elisabeth von der englischen Hafenstadt Southampton zurück in die Vereinigten Staaten ein. Erst 1952 übersiedelte er wieder dauerhaft in die Schweiz.