Fotografie von Thomas Mann in Sanary-sur-Mer (1933)
Fotografie von Thomas Mann in Sanary-sur-Mer (1933)
Mein Heimweh nach dem alten Zustande [München] ist übrigens gering. Ich empfinde fast mehr davon für Sanary, das mir im Rückblick als die ‚glücklichste’ Etappe dieser 10 Monate erscheint, und nach meiner kleinen Stein-Terrasse am Abend, wenn ich darauf im Korbstuhl saß und die Sterne betrachtete.
Thomas Mann, Tagebuch, 31. Dezember 1933
Im Sommer 1933 verbrachte der emigrierte Schriftsteller Thomas Mann nach den Zwischenstationen in Arosa, Lugano und Bandol einige Wochen in Sanary-sur-Mer, bevor er sich dazu entschloss, im schweizerischen Küsnacht ein Haus anzumieten.
In den ersten Monaten nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Deutschland entwickelte sich das kleine Städtchen an der französischen Mittelmeerküste zu einem Treffpunkt für emigrierte Künstler und Intellektuelle. Neben Manns älterem Bruder Heinrich Mann ließen sich unter anderem die Schriftsteller Arnold Zweig, Lion Feuchtwanger und Bertolt Brecht zeitweise dort nieder. Mann selbst bezog am 12. Juni 1933 die Villa „La Tranquille“, wo er bis zum 22. September des Jahres wohnen blieb. Im Tagebuch vermerkte er dazu: „Ich glaube, daß wir in diesem Hause glücklich sein werden. Zunächst tut die private Existenzform mir unendlich wohl, nach dem Hotel-Dasein von 4 Monaten.“ Der Schriftsteller kaufte sich in Sanary-sur-Mer einen Peugeot und kleidete sich neu ein. Während seines Aufenthalts las er Werke von Lev Tolstoi und Adalbert Stifter; seine eigene literarische Produktion stockte hingegen: „Vergebliche Bemühung, wieder zum Erzählen zu kommen“, heißt es im Tagebucheintrag vom 3. Juli. „Es fehlen Heiterkeit und Energie“.