Thomas Mann: Brief an Paul Kohner, 5. Januar 1941

Brief: Thomas Mann an Paul Kohner, 5. Januar 1941
Brief Thomas Manns an Paul Kohner, Princeton, 5. Januar 1941
Stiftung Deutsche Kinemathek Museum für Film und Fernsehen. Sammlung Paul Kohner Agency, mit freundlicher Genehmigung von Frido Mann, © S. Fischer Verlage, Frankfurt am Main

Thomas Mann: Brief an Paul Kohner, 5. Januar 1941

Ich persönlich habe den Eindruck, daß Herr K[aiser] an einem derartigen Zustand nervöser Überreizung angelangt ist, daß man alles zu befürchten hat, wenn ihm nicht bald Gelegenheit geboten wird, in ein freies Land zu kommen, –  in ein Land zu kommen, in dem er alles das aufschreiben und mitteilen kann, was im Kampf gegen die Nazipest und im Interesse einer späteren Generation ihm wesentlich erscheint.

Julius Marx, Brief an Thomas Mann, 9. Dezember 1940


Diesem Brief des Schriftstellers Thomas Mann an den Filmagenten und engagierten Fluchthelfer Paul Kohner war im Sommer 1939 bereits eine umfangreichere Korrespondenz zwischen Georg Kaisers Schweizer Literaturagent Julius Marx und Kohner vorausgegangen. Der jüdische Erfolgsautor Kaiser, dessen Bücher 1933 verbrannt und dessen Stücke mit einem Aufführungsverbot belegt worden waren, lebte seit 1938 in der Schweiz, wollte von dort aber weiter in die USA. Ihm war daher nicht nur an der Publikation der Übersetzungen seiner Werke, sondern auch an deren Verfilmung in Amerika gelegen. Überzeugt von der Filmtauglichkeit seiner Stücke und davon, „daß in Hollywood der amerikanische Dollarsegen nur so auf ihn wartet“, setzte er Julius Marx zunehmend unter Druck. Der wandte sich an Kohner mit der Bitte, Kaisers Interessen bei den großen Filmfirmen zu vertreten und einen möglichst gut dotierten Zwei-Jahres-Vertrag zu besorgen. Kohner dämpfte diese Erwartungshaltung deutlich: „Niemand hier drüben wird Herrn Kaiser für einen Zeitraum von zwei Jahren einstellen.“

1940 klangen Marx’  Briefe sehr viel verzweifelter: ob es nicht die Möglichkeit gäbe, Kaiser ähnlich wie andere Schriftsteller zuvor mit einem 100-Dollar-Vertrag bei einem der großen Filmstudios in die Staaten zu holen? Thomas Mann und Paul Kohner wurden tätig – doch ihr Engagement für Georg Kaiser blieb folgenlos. Tatsächlich entschied sich Georg Kaiser am Ende gegen Amerika. Er starb 1944 in Ascona.

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