Klaus Mann: Briefwechsel mit Gottfried Benn (1933)

Brief: Klaus Mann an Gottfried Benn
Klaus Mann, Brief an Gottfried Benn, 9. Mai 1933, Seite 1
Deutsches Literaturarchiv Marbach, mit freundlicher Genehmigung von Frido Mann, © Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg

Klaus Mann: Briefwechsel mit Gottfried Benn (1933)

Dieser 27jährige hatte die Situation richtiger beurteilt, die Entwicklung der Dinge genau vorausgesehen, er war klarerdenkend als ich, meine Antwort war demgegenüber romantisch, überschwänglich, pathetisch.

Gottfried Benn, Doppelleben, 1950


Im Februar 1933, nur wenige Wochen nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, war Klaus Manns Onkel Heinrich Mann infolge politischen Drucks zum Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste gezwungen worden. Seine kommissarische Nachfolge als Präsident der Sektion Dichtkunst übernahm der Dichter Gottfried Benn, der als einer der wenigen Künstler von Rang und Namen in der nunmehr gleichgeschalteten Institution verblieb. Anders als Thomas Mann, Alfred Döblin, Jakob Wassermann und andere Kollegen, die bis Anfang Mai mehr oder minder freiwillig ausschieden, stellte sich Benn eilfertig in den Dienst des neuen Regimes, von dem er sich in politischer Naivität ein Wiedererstarken Deutschlands und den „Sieg der nationalen Idee“ erhoffte. Aus dem französischen Exil schrieb ihm Klaus Mann daraufhin einen persönlichen Brief, in dem er aus seiner bitteren Enttäuschung keinen Hehl machte: „Was konnte Sie dahin bringen, Ihren Namen, der uns der Inbegriff des höchsten Niveaus und einer geradezu fanatischen Reinheit gewesen ist, denen zur Verfügung zu stellen, deren Niveaulosigkeit absolut beispiellos in der europäischen Geschichte ist und von deren moralischer Unreinheit sich die Welt mit Abscheu abwendet?“ Benn reagierte auf die Vorwürfe, denen sich auch der Schriftsteller Joseph Roth mit einem Artikel im Pariser Neuen Tagebuch anschloss, mit einem Offenen Brief in der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 25. Mai. Darin rechtfertigte er seine Haltung mit seiner Loyalität zum deutschen Volk, das diese Regierung rechtmäßig gewählt habe, und zu einer Nation, die den Emigranten „auch jetzt nicht viel getan hätte“, wenn sie im Land geblieben wären.

Benns öffentlicher Schulterschluss mit den Nationalsozialisten war nur von kurzer Dauer. 1938 erhielt er Schreibverbot. In seiner 1950 erschienenen Autobiografie Doppelleben gestand er seinen fatalen früheren Irrtum ein, machte aber aus der Perspektive eines inneren Emigranten weiterhin ambivalente Aussagen zum Exil.

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