Klaus Mann, Brief an den Steinberg Verlag, Dezember 1948
Klaus Mann, Brief an den Steinberg Verlag, Dezember 1948
Die Begegnung mit ihm – nicht mit dem Menschen, sondern mit dem Werk, in welchem diese reiche, komplexe Menschlichkeit sich offenbart – hat mir mehr als irgendeine andere geholfen, meinen Weg, den Weg zu mir selbst zu finden.
Klaus Mann über André Gide in seiner Autobiografie Der Wendepunkt (1952)
André Gide bildete früh einen, wenn nicht den literarischen Leitstern Klaus Manns,wie dieser in seiner lesenswerten Autobiografie Der Wendepunkt (1952) deutlich machte: «Was er mir zu bieten hatte, was mich zu ihm zog, war eine ‚autorisation‘ moralischer, intellektueller Art: die geistige Legitimation und künstlerische Objektivierung meiner subjektiven Unrast und Ungewisstheit.“ Manns lebenslange, wenn auch äusserst einseitige Bewunderung für Gides Werk und Person, den er für den Inbegriff des guten Europäers hielt, mündete nach mehreren Aufsätzen in der 1943 zunächst auf Englisch im New Yorker Verlag Creative Age publizierten Monografie André Gide and the Crisis of Modern Thought. Nach Kriegsende machte sich Klaus Mann an die Selbstübersetzung ins Deutsche. Im Juli 1947 war die in seinem Tagebuch als solche gut dokumentierte mühselige und langwierige Arbeit abgeschlossen. Die deutsche Fassung André Gide. Die Geschichte eines Europäers konnte im Frühjahr 1948 im Schweizer Steinberg Verlag erscheinen, der auf die Publikation von Werken von Exilautor*innen spezialisiert war und der auf dem Cover bereits damit werben konnte, dass Gide 1947 der Nobelpreis für Literatur zuerkannt worden war. Dass der Absatz dieses Werks gerade in Nachkriegsdeutschland gleichwohl mit größeren Hürden verbunden war und nur schleppend verlief, belegt dieser Ende Dezember 1948, wenige Monate vor seinem Tod, noch in Pacific Palisades verfasste Brief Klaus Manns an seine Verlegerin Selma Steinberg. Der Brief ist zugleich Beleg dafür, wie wichtig dieses Werk und insbesondere die Rezeption dieses Werks durch deutsche Leserinnen und Leser für den Autor war.
Weiterführende Literatur:
Schaenzler, Nicole: Klaus Mann. Eine Biographie. Frankfurt am Main: Campus Verlag 1999.
Fischer, Erich: Steinberg Verlag, Zürich. In: Ders.: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Drittes Reich und Exil. Teil 3: Der Buchhandel im deutschsprachigen Exil 1933–1945. Teilband 1. Berlin/Boston: De Gruyter 2021, S. 345–347.