Postkarte von Cerbère

Postkarte: Fluchtweg Heinrich Mann und Franz Werfel
Postkarte von Cerbère mit dem eingezeichneten Fluchtweg Heinrich Manns und Franz Werfels über die Pyrenäen
Akademie der Künste, Berlin, Heinrich-Mann-Archiv, Nr. 6588

Postkarte von Cerbère

Wir müssen uns wie richtige Verbrecher benehmen.

Heinrich Mann zu Varian Fry vom Emergency Rescue Comittee, 13. September 1940


Diese Postkarte mit der Ansicht des französischen Grenzstädtchens Cerbère sendete der deutsche Schriftsteller Joachim Seyppel im Jahr 1971 an die Akademie der Künste in Ost-Berlin. Seyppel begab sich auf seiner damaligen Reise bewusst auf kulturhistorische Spurensuche: Mit einem Kreuz markierte er auf der Karte die französisch-spanische Grenzstation, hinter der sich der Pfad befand, über den unter anderen Heinrich Mann am 13. September 1940 aus Vichy-Frankreich floh.

Nachdem er zunächst mit dem Gedanken einer Ausreise nach Marokko gespielt hatte, unternahm der zu diesem Zeitpunkt 69-jährige Bruder Thomas Manns die kräftezehrende Wanderung mit der Hilfe des Emergency Rescue Comittees. Er überstand den beschwerlichen Weg mit falschem Pass gemeinsam mit seiner Ehefrau Nelly Mann und seinem Neffen Golo. Mit ihnen reisten der damals schwer herzkranke Schriftsteller Franz Werfel und dessen Frau Alma Mahler-Werfel; auch Lion Feuchtwanger und seine Ehefrau überquerten am gleichen Tag dort die Grenze. Die Reise führte die Gruppe von Cerbère aus zunächst ins spanische Portbou, dann weiter nach Barcelona und schließlich nach Lissabon. Den Abschied von Europa empfand Heinrich Mann als „überaus leidvoll“. Wehmütig sinnierte er in seinen Memoiren: „Eine verlorene Geliebte ist nicht schöner.“

Anlass der Flucht war der deutsch-französische Waffenstillstandsvertrag von Compiègne, der am 25. Juni 1940 in Kraft trat und in deren Folge sich die Situation der in Frankeich lebenden deutschen Exilanten dramatisch verschlechtert hatte. Paragraf 19 des Vertrages verpflichtete das mit den Besatzern kollaborierende Vichy-Regime zu einer Auslieferung aller deutschen Reichsbürger und legitimierte ebenso den Zugriff auf die jüdische Bevölkerung. Infolge dessen brachen viele oppositionelle Künstler zu einer überstürzten Flucht gen Süden auf, um sich über die iberische Halbinsel per Schiff auf den amerikanischen Kontinent zu retten.

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