Kalenderblatt von Heinrich Mann, 21. Februar 1933
Kalenderblatt von Heinrich Mann, 21. Februar 1933
Als ich am [...] 21. Februar wirklich abreiste, hätten Gepäck, Wagen und andere Anzeichen des versuchten Entkommens mich ohne weiteres ausgeliefert. Indessen trug ich nichts als einen Regenschirm – meinen letzten [...]. So sieht, will es scheinen, der Rubikon aus. Hinter dem verhängnisvollen Fluß, den ich wähle, liegt das Exil.
Heinrich Mann, Ein Zeitalter wird besichtigt, 1947
Mit dem schlichten Vermerk „abgereist“ dokumentierte Heinrich Mann am 21. Februar 1933 in seinem Kalender die Flucht aus der Heimat und den Beginn seines Exils. Zu diesem Zeitpunkt konnte er kaum ahnen, dass er bis an sein Lebensende nicht mehr nach Deutschland zurückkehren würde.
In den letzten Jahren der Weimarer Republik hatte sich der populäre Schriftsteller mit zunehmender Vehemenz für den Zusammenschluss aller demokratischen Kräfte gegen den aufstrebenden Nationalsozialismus eingesetzt. Dazu zählte auch das Plädoyer für die Wiederwahl des ehemaligen Weltkriegsgenerals Hindenburg 1932 zum Reichspräsidenten, die er als einzige realistische Alternative zum Konkurrenzkandidaten Hitler sah. Im Dezember 1932 erschien Manns Bekenntnis zum Übernationalen als einer der letzten vor seiner Emigration publizierten Arbeiten. Dem um sich greifenden Chauvinismus der NS-Bewegung setzte er darin das visionäre Zukunftsbild eines europäischen Staatenbundes entgegen, der jedoch erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Gestalt annehmen sollte.
In den letzten Tagen vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler unterzeichnete der Schriftsteller wie schon im Vorjahr einen Aufruf des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes zur Einigung von SPD und KPD, der im darauffolgenden Monat zu seiner Entlassung als Präsident der Sektion Dichtkunst bei der Preußischen Akademie der Künste führte. Angesichts wütender Attacken in der nationalsozialistischen Presse rieten Freunde und Kollegen zur Flucht.
Am 21. Februar 1933 reiste Mann fast ohne jegliches Gepäck über Frankfurt am Main und Straßburg nach Nizza aus – eine Woche vor dem Reichstagsbrand, der dem Regime einen willkommenen Anlass zur Inhaftierung zahlreicher Oppositioneller lieferte.