Leo Maillet: Ganz Ohr, Radierung (1982)
Leo Maillet: Ganz Ohr, Radierung (1982)
Das Selbstbildnis nimmt in der Zeit zwischen 1940 und 1945 eine besondere Stellung im Werk des Malers Leo Maillet ein. Die Motive sind dabei zumeist in kleinformatigen Zeichnungen und Aquarellen umgesetzt. Dies spiegelt einerseits die Intimität der Selbstbefragung in einer existenziellen Situation, andererseits auch die widrigen äußeren Bedingungen, unter denen an aufwändige Drucktechniken oder großformatige Malerei kaum zu denken war.
Nach dem Krieg griff Maillet diese Motive häufig wieder auf, um sie in andere künstlerische Techniken zu übersetzen. So verweist auch diese Radierung auf eine Tuschezeichnung, die der Künstler bereits 1945, nach seiner Flucht aus Frankreich in die Schweiz, angefertigt hatte und die den Titel Das zerbrochene Gesicht trägt.
Im Motiv des gesprungenen Spiegels, das der Künstler in mehreren Werken aufgreift, erscheinen die darin zu sehenden Gesichtsteile unnatürlich verschoben. So verweist Maillet auf die durch Verfolgung und Flucht in Frage gestellte Einheit der Person. Der Spiegel „muß (…) zerbrochen sein wie das Wesen, das hier den Mut hat, sich ohne Beschönigung auszufragen und die Welt in Frage zu stellen, in jenen Schreckensjahren, als es darauf ankam, das Ich vor den anderen aufs äußerste zu verleugnen und vor sich selber aufs äußerste zu behaupten“. (Friedrich Hagen, Leo Maillet, [1965])
Weiterführende Literatur:
Marlene Decker-Janssen: Nachträgliches. Leo Maillet. Ein Künstler im Exil. Bern: Benteli 1986