Mord in Davos
Der Beifall, den das Buch bei seinem Erscheinen fand, und die Kontroverse, die es – auch außerhalb Nazi-Deutschlands, vor allem in der Schweiz und der Judenschaft – auslöste, zeigen, dass hier keine juristische, sondern eine moralische und politische Stellungnahme abgegeben wurde.
Peter O. Chotjewitz in seinem Nachwort zu Mord in Davos
Emil Ludwig führte in den Jahren 1916 bis mindestens 1937 in kleinformatigen, ledergebundenen Agenden Tagebuch in Stenografieschrift. Seinem Sohn Gordon Ludwig ist es zu verdanken, dass heute zu sämtlichen der 29 im Schweizerischen Literaturarchiv erhaltenen «Diaries» sorgfältig angefertigte Transkriptionen vorliegen. Der hier in Rede stehende Eintrag belegt, dass Ludwig schon kurze Zeit nach dem tödlichen Attentat des jüdischen Studenten David Frankfurter an Wilhelm Gustloff, Leiter der Schweizer Landesgruppe der NSDAP, in Davos vom 4. Februar 1936 die Absicht hegte, ein Buch über diesen aufsehenerregenden Fall zu schreiben: «Früh Idee für den Mörder: seine Verteidigungsrede werde ich schreiben.» Die innerhalb weniger Monate zu Papier gebrachte Schrift Mord in Davos erschien noch im selben Jahr bei Querido, wurde jedoch nicht nur in Deutschland, sondern tatsächlich auch in der Schweiz aufgrund eines entsprechenden Verdikts des Bundesanwalts bis Kriegsende verboten. Man fürchtete offensichtlich die aussenpolitische Auseinandersetzung mit NS-Deutschland. Dass Ludwigs öffentliches Eintreten für Frankfurter in der zur Neutralität verpflichteten Schweiz Irritationen und offenbar auch eine gewisse Nervosität hervorrief, belegt unter anderem auch ein Brief des dem Autor sonst sehr gewogenen Bundesrats Giuseppe Motta vom 11. November 1936, in dem dieser schreibt: «Leider kann ich die Idee und den Zweck Ihres Buches nicht billigen. Sein Erscheinen kurze Zeit vor dem Prozess gegen Frankfurter ist […] vom Standpunkt unserer Landesinteressen eher zu bedauern.» (Nachlass Emil Ludwig, Schweizerisches Literaturarchiv SLA) Mord in Davos erschien in Deutschland erstmals 1986 im März Verlag.
Weiterführende Literatur:
Fuhrer, Armin: Emil Ludwig. Verehrt, verfemt, verbrannt. Eine Biografie. Reinbek: Lau-Verlag 2021.
Ludwig, Emil und Chotjewitz, Peter O.: Der Mord in Davos. Texte zum Attentatsfall David Frankfurter Wilhelm Gustloff. Hg. von Helmut Kreuzer. Herbstein: März 1986.