Der Pass von Else Lasker-Schüler
Der Pass von Else Lasker-Schüler
Es ist der Tag in Nebel völlig eingehüllt,
Entseelt begegnen alle Welten sich –
Kaum hingezeichnet wie auf einem Schattenbild.Wie lange war kein Herz zu meinem mild …
Die Welt erkaltete, der Mensch verblich.
– Komm, bete mit mir – denn Gott tröstet mich.Wo weilt der Odem, der aus meinem Leben wich? –
Ich streife heimatlos zusammen mit dem Wild
Durch bleiche Zeiten träumend – ja ich liebte dich …
Auszug aus dem Gedicht Die Verscheuchte (1934) von Else Lasker-Schüler
Else Lasker-Schüler befand sich seit 1933 im Schweizer Exil. Anders als erhofft, erhielt sie jedoch keine Aufenthaltsgenehmigung, sondern war nur geduldet. Diese Duldung dauerte über sechs Jahre an. Die Exilzeit in der Schweiz war daher zum einen von dauerhaften Existenzsorgen geprägt, denn ohne Aufenthaltsgenehmigung erhielt sie keine Arbeitserlaubnis und ohne diese konnte sie kein Geld verdienen. Die Zeichnungen, die sie illegal verkaufte, reichten bei weitem nicht für die Finanzierung ihres Lebens, weshalb sich unter den Exilbriefen Lasker-Schülers auch Bittbriefe befinden.
Zum anderen bedeutete die Duldung mit ihren Bestimmungen und Ausreisefristen permanente Ortswechsel, je nachdem welches Kanton einer Aufenthaltsverlängerung zustimmte. Aber auch kurze Auslandsaufenthalte nahm sie wahr, um anschließend wieder in die Schweiz einreisen zu können. Die Exilzeit Lasker-Schülers wurde daher zu einem ständigen Behördenlauf mit An-, Ab- und Ummeldungen. Die hier abgebildete Seite ihres Passes zeugt von dieser Situation. Bereits am 23. Oktober 1934 vermerkte die Städtische Fremdenpolizei: „Frau Lasker verfügt über keine eigenen Mittel, sondern ist auf die Wohltätigkeit von Privatpersonen angewiesen […]. […] Die weitere Anwesenheit der Petentin ist weder notwendig noch erwünscht […].“ Im August 1939 erfolgte das endgültige Einreiseverbot, so dass die Schriftstellerin von einem Aufenthalt in Palästina nicht mehr in die Schweiz zurückkehren konnte.