Stefan Zweig: Brief an Hermann Kesten (16. Juni 1933)

Brief: Stefan Zweig an Hermann Kesten, 1933
Brief von Stefan Zweig an Hermann Kesten, Salzburg, 16. Juni 1933
Monacensia. Literaturarchiv und Bibliothek. München. HK B 1385a

Stefan Zweig: Brief an Hermann Kesten (16. Juni 1933)

Am 16. Juni 1933 schrieb Stefan Zweig aus Salzburg an Hermann Kesten und versprach ihm als einer der ersten Autoren eine Novelle für Kestens geplante Anthologie im Allert de Lange Verlag.

Hermann Kesten hatte erst Ende Mai die literarische Leitung der deutschsprachigen Abteilung des Amsterdamer Verlags übernommen, in dem als erste Publikation eine Novellenanthologie jüdischer Autoren erscheinen sollte, die in Deutschland geächtet wurden. Doch stellte sich schnell heraus, dass zu diesem frühen Zeitpunkt des Exils ein gemeinsamer Nenner für die politische Ausrichtung des Bandes schwer zu finden war. Der Widerspruch der Autoren war unterschiedlicher Natur. So sagte Anna Seghers ihre Teilnahme mit der Begründung ab, dass sie es politisch für falsch halte, in der Auswahl statt „alle Verbrannte“ nur jüdische Autoren zu berücksichtigen. Andere Autoren wie Franz Werfel, Jakob Wassermann und schließlich auch Stefan Zweig protestierten gegen Kestens Vorwort und den geplanten Titel „Der Scheiterhaufen. Novellen deutscher Dichter der Gegenwart, die Juden sind“, da sie zu diesem Zeitpunkt eine zu starke Politisierung noch fürchteten. Schließlich schaltete sich Gerard de Lange ein, sodass das Buch Ende 1933 ohne das Vorwort Kestens mit dem unverdächtigen Titel Novellen deutscher Dichter der Gegenwart erschien.

Zwar reflektiert Zweigs Brief diese kommenden Konflikte noch nicht, doch ist er in der darin eingenommenen Haltung kennzeichnend für die anfängliche Zurückhaltung vieler unpolitischer Autoren, die einerseits sehr wohl die Zeichen der Zeit zu deuten wussten, andererseits aber dennoch eine abwartende Position bezogen.

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