Hermann Kesten: Brief an Klaus Mann (27. Mai 1939)
Hermann Kesten: Brief an Klaus Mann (27. Mai 1939)
Sie und ich, wir sind noch in den Dreissiger Jahren, und sollen schon anfangen, unsere Generationsgenossen zu begraben?
Hermann Kesten an Klaus Mann, 27. Mai 1939
Mit dem Exil entwickelte sich die Bekanntschaft zwischen Hermann Kesten und Klaus Mann zu einem engen freundschaftlichen Kontakt. So war Hermann Kesten nicht nur einer der ersten, den Klaus Mann im Mai 1933 zur Mitarbeit in seiner Zeitschrift Die Sammlung aufforderte. Die beiden sahen sich durch Klaus Manns Tätigkeit für den Querido Verlag und Hermann Kestens Arbeit für Allert de Lange zwischen 1933 und 1935 auch regelmäßig in Amsterdam, wo sie zeitweise dasselbe Hotel bewohnten. Im amerikanischen Exil gaben sie zusammen die Anthologie Heart of Europe heraus. Von dem umfangreichen Briefwechsel bis wenige Tage vor Klaus Manns Tod 1949 sind heute 91 Briefe erhalten.
Am 25. Mai 1939 schrieb Klaus Mann Kesten einen langen Brief, in dem er über den Tod ihres gemeinsamen Freundes Ernst Toller berichtete, der drei Tage zuvor in New York Selbstmord begangen hatte. Kesten kannte Toller seit Ende der 1920er Jahre. Sie hatten zwei Theaterstücke zusammen verfasst und gemeinsam Nordafrika bereist. Für Kesten wie für die gesamten Kreise des literarischen Exils bedeutete der Selbstmord Tollers einen Schock. Wenige Tage später starb in Paris der Schriftsteller Joseph Roth, der auf die Nachricht von Tollers Tod zusammenbrach. Auch mit Roth, dessen Werk er in der Nachkriegszeit herausgab, war Kesten eng befreundet. In dem vorliegenden Brief beklagt er den Tod seiner beiden Freunde.