Gina Kaus: Brief an William S. Schlamm (3. Juli 1940)
Gina Kaus: Brief an William S. Schlamm (3. Juli 1940)
Die Entfernung Hollywood zur wirklichen Welt ist in Meilen nicht auszudrücken.
Gina Kaus in einem Brief an William S. Schlamm, Hollywood, 3. Juli 1940
Das bestimmende Thema dieses Briefs der Schriftstellerin Gina Kaus an den Publizisten William S. Schlamm ist die Situation von noch in Frankreich lebenden Verwandten und gemeinsamen Bekannten aus Österreich. Nur wenige Tage zuvor war das Waffenstillstandsabkommen zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich in Kraft getreten. Viele Emigrant*innen befürchteten, verhaftet und an Deutschland ausgeliefert zu werden.
Kaus und Schlamm waren vor allem um den Schriftsteller Friedrich Torberg besorgt. Ihm war es gelungen, sich von Frankreich aus nach Lissabon abzusetzen. Brieflich diskutierten Kaus und Schlamm die in Frage kommenden Möglichkeiten, Torberg ein Visum für die USA zu beschaffen. Die Idee, einen fingierten Vertrag einer Filmfirma zu nutzen, um Torbergs künftige finanzielle Situation in den USA positiv darzustellen, verwarf Kaus als illusorisch: „Derartige Zumutungen treten […] seit Kriegsausbruch täglich – nein stündlich – an diese Firmen heran und werden ausnahmslos abgelehnt.“ Stattdessen wandte sich Kaus an Liesl Frank und den European Film Fund. Wider Erwarten gelang es auf diese Weise, einen echten Vertrag mit der Firma Warner für Torberg zu erwirken, der seinen Lebensunterhalt in den USA für ein Jahr garantierte. Das Emergency Rescue Committee verhalf Friedrich Torberg zu einem Visum für die USA.
Obwohl ihre eigene Lebenssituation, wie sie in dem Brief schreibt, sehr schwierig war, nahm Gina Kaus ihren Kollegen Torberg Ende 1940 zunächst bei sich auf, nachdem dieser in Kalifornien angekommen war.
Weiterführende Literatur:
Torberg, Friedrich: Eine tolle, tolle Zeit. Briefe und Dokumente aus den Jahren der Flucht 1938–1941. Zürich, Frankreich, Portugal, Amerika. Frankfurt am Main/Berlin: Ullstein 1992.