Emma Kann: Frieden im Krieg (Gedicht, 1940)
Emma Kann: Frieden im Krieg (Gedicht, 1940)
Das Gestern starb, das Morgen starb, / das Sehn vertrieb das Denken / und zwischen Tod und Tod geniesst / es, was die Stunden schenken.
Aus dem Gedicht Frieden im Krieg von Emma Kann, 1940
Das Gedicht Frieden im Krieg von Emma Kann stammt aus einer unveröffentlichten Gedichtsammlung mit dem Titel II/Fahrt durch den Tod. Die Sammlung ist auf 1940/42 datiert und in mehreren Versionen im Nachlass der Lyrikerin überliefert. Sie umfasst unter anderem Texte, die Kann während und nach ihrer Internierung in dem französischen Lager Gurs verfasst hat.
Frieden im Krieg entstand unmittelbar nach ihrer Entlassung aus dem Internierungslager, in dem Dorf Précilhon, das nur wenige Kilometer von Gurs entfernt liegt. Dort wurde Emma Kann zusammen mit anderen Geflüchteten gastfreundlich aufgenommen. Diese fast gleichzeitige Erfahrung von Leid und Freude fand auch Eingang in das Gedicht. Wie viele andere Werke Emma Kanns enthält es kontrastierende, scheinbar paradoxe Bilder: Das lyrische Ich wird von einem „Meer von Blute“ überschwemmt und nimmt doch zugleich das sich friedlich ausdehnende Land wahr, auf dem ein Bauer die Garben wendet. Die Szene ist in „scharfe, klare Farben“ getränkt, die nichts Gewaltvolles ausstrahlen, sondern vielmehr auf den sinnlichen Naturgenuss des lyrischen Ichs verweisen, dem die Wahrnehmung dieses Kontrasts zwischen dem Denken und dem Sehen als lebensnotwendig erscheint.
In ihrem (undatierten) autobiographischen Text Fahrt in den Frühling schrieb Kann später: „Diese Spaltung […] [habe ich] in den Kriegsjahren und später häufig in mir beobachtet, eine Elastizität, in der Leiden und Freude gleichzeitig nebeneinander existieren in einer intensiven Lebenslust trotz aller Trauer und Gefahr.“ (Emma Kann, Autobiographisches Mosaik, 2022)
Weiterführende Literatur:
Ette, Ottmar: Von der Normalität des Ausnahmezustands. Lagererfahrung und Überlebenswissen in Texten von Emma Kann, Hannah Arendt und Max Aub, in: Jasper, Willi (Hg.): Juden und Judentum in der deutschsprachigen Literatur, Wiesbaden: Harrassowitz, 2006, S. 87–114.
Kann, Emma: Autobiographisches Mosaik. Betrachtungen und Erlebnisse, herausgegeben von Carola Hilmes, Leipzig: Hentrich & Hentrich, 2022.