Mascha Kaléko: Sozusagen ein Mailied (1938)

Mascha Kaléko: Sozusagen ein Mailied (1938)

Wehmutige Erinnerung an die verlorene Heimat

In dem Kampf ums Überleben im Exil und die täglichen Sorgen und Pflichten als Hausfrau, Ehefrau und Mutter mischt sich immer wieder Heimweh. Im Frühjahr ist es besonders schwer auszuhalten. Mascha vergleicht den Frühling in Amerika mit dem europäischen und betont, ihre Enttäuschung habe nichts mit Geografie zu tun, sondern eher mit Kindheitserinnerungen.

Jutta Rosenkranz in ihrer Biografie über Mascha Kaléko, 2012


Das Gedicht Sozusagen ein Mailied schrieb Mascha Kaléko kurz nach Ihrer Emigration in die Vereinigten Staaten. In ihm stellt sie die neue, noch ungewohnte Landschaft der USA den vertrauten Orten der verlassenen Berliner Heimat entgegen, die sie schmerzlich vermisst. Das Gedicht erschien erstmals im Mai 1940 in der New Yorker Emigrantenzeitschrift Aufbau. Es war auch in Kalékos 1945 veröffentlichtem Buch Verse für Zeitgenossen enthalten, das in Amerika als einer der wenigen deutschsprachigen Bände mit Exil-Lyrik erschien. Dort wird es auf 1938 datiert. Da Kaléko im Frühling dieses Jahres allerdings noch in Berlin lebte, wird es wohl eher 1939 entstanden sein. Verse für Zeitgenossen enthielt – neben einigen bereits erschienenen – 39 neue Gedichte. Die Auflage betrug zwischen zwei- und dreitausend Exemplaren.

Auf ihrer ersten Deutschlandreise nach dem Zweiten Weltkrieg trug Mascha Kaléko Sozusagen ein Mailied 1956 im Radioprogramm des Norddeutschen Rundfunks vor. Im gleichen Jahr wurde das Gedicht auch in der Berliner Tageszeitung Der Abend abgedruckt. Die 1963 erschienene Schallplattenproduktion Mascha Kaléko spricht Mascha Kaléko enthält ebenfalls eine Lesung von Sozusagen ein Mailied, die hier zu hören ist. In den Zeilen „Manchmal, mitten in jenen Nächten“ und dem Verweis auf Rhein und Elbe finden sich Anspielungen auf den deutschen Dichter Heinrich Heine, mit dem sich Kaléko sehr verbunden fühlte, da sie mit ihm das Schicksal eines jüdischen Emigranten teilte: Heines Gedicht Nachtgedanken (1844) enthält die bekannte Formulierung „Denk ich an Deutschland in der Nacht, / Dann bin ich um den Schlaf gebracht“. Der Dichter wurde in Düsseldorf am Rhein geboren und lebte als junger Mann einige Jahre in Hamburg an der Elbe.

Galerie