Mascha Kaléko: Interview mit mir selbst (1945)
Mascha Kaléko: Interview mit mir selbst (1945)
Mascha Kalékos Leben wurde von der Heimatlosigkeit geprägt, vom Leiden an der Unzugehörigkeit. Sie blieb überall eine Fremde: In Deutschland eine polnische Jüdin, in Israel eine deutsche Jüdin, in Amerika eine unbelehrbare Europäerin. Und in Polen? Da kannte man und kennt man nicht einmal ihren Namen.
Marcel Reich-Ranicki über Mascha Kaléko, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Juni 2007
Interview mit mir selbst zählt zu den bekanntesten Gedichten Mascha Kalékos und ist zudem eines der wenigen Werke, in dem sich die Lyrikerin über ihre eigene Kindheit äußert. Es erschien als Vorabdruck erstmals im Berliner Tageblatt 1931. Später nahm es Kaléko in ihr Buch Das lyrische Stenogrammheft (1933) mit auf. Eine um ein „Post Scriptum. Anno fünfundvierzig“ ergänzte Version erschien 1945 im Band Verse für Zeitgenossen in New York. Diese Fassung enthält auch einige zusätzliche textliche Änderungen, die auf Kalékos zwischenzeitliche Emigration anspielen. So verweist die Zeile „Ein Volk ‚Die Arier’ ham wir nicht gehabt“ auf die antisemitische Diskriminierung, der sie als jüdische Autorin durch die Nationalsozialisten ausgesetzt war.
Während ihres mehrmonatigen Aufenthalts in Berlin 1958/59 zählte Interview mit mir selbst zu den Gedichten, die Mascha Kaléko im RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) rezitierte. Auch in den darauffolgenden Jahren wurde es von ihr für andere Sender wiederholt eingelesen. Die Aufnahme, die hier zu hören ist, entstammt der Schallplattenprodukion Mascha Kaléko liest Mascha Kaléko (1963). Die Autorin beschreibt in dem Gedicht mit ironischem Unterton ihre rebellische Jugendzeit, die Erfahrungen in der Schule und ihre beruflichen Anfänge als Büroangestellte, die sie nicht zufriedenstellten. Im „Post Scriptum“ erwähnt sie ihren 1936 geborenen Sohn Steven Vinaver, der – wie zuvor seine Mutter – ein Dasein als Emigrantenkind führen muss.