Eva Herrmann: Brief an Johannes R. Becher (19. Oktober 1939)
Eva Herrmann: Brief an Johannes R. Becher (19. Oktober 1939)
Es tut mir leid, dass dieser Brief so grauslich ist, aber ich bin so schrecklich traurig. Was mit allen passieren mag die nächste Zeit?
Eva Herrmann an Johannes R. Becher, 19. Oktober 1939
Johannes R. Becher und die Malerin Eva Herrmann hatten sich 1922 in ihrer Heimatstadt München kennengelernt. Beide lebten von 1922 bis 1924 zusammen in Eva Herrmanns Berliner Atelier. Ihr Briefkontakt blieb auch nach der Trennung bestehen. Sie sahen sich 1937 wieder, als Eva Herrmann zusammen mit Lion Feuchtwanger eine Reise nach Moskau unternahm.
Eva Herrmann hatte bis 1939 zur Emigrantengemeinde im südfranzösischen Sanary-sur-Mer gehört. Im Oktober 1939 verließ sie Europa von Genua aus auf dem Ozeandampfer Conte di Savoia. In Frankreich waren seit September 1939 deutsche und österreichische Emigranten als feindliche Ausländer interniert worden. Für viele von ihnen entstand dadurch eine bestürzende Situation. Als Inhaberin eines amerikanischen Passes – ihr Vater war der amerikanische Maler Frank Simon Herrmann – war Eva Hermann nicht davon betroffen, als Jüdin wäre sie durch einen Überfall der Wehrmacht aber ebenso bedroht gewesen wie ihre Freunde, von deren Schicksal sie in ihrem Brief berichtet.
Lion Feuchtwanger wurde 1939 in Les Milles interniert, im Sommer 1940 erneut. Aus dem Lager Nîmes konnte er durch eine Aktion Varian Frys und mit Hilfe des amerikanischen Vizekonsuls befreit werden.
Johannes R. Becher antwortete am 24. November 1939 auf die Nachricht vom Selbstmord der gemeinsamen Freundin Franziska Herzfeld: „Das mit Fränze hat mich sehr getroffen. Ich kann mich eines Gefühls der Mitschuld nicht erwehren. Wie fahrlässig habe ich diese Freundschaft zerfallen lassen.“ (zitiert nach Manfred Flügge, Muse des Exils, 2012)
Weiterführende Literatur:
Flügge, Manfred: Muse des Exils. Das Leben der Malerin Eva Herrmann. Berlin: Insel Verlag 2012.