John Heartfield: Wie im Mittelalter … so im Dritten Reich (1934)

Fotomontage, John Heartfield, Wie im Mittelalter
Erwin Geschonneck als Modell in John Heartfields Fotomontage Wie im Mittelalter … so im dritten Reich, AIZ, Nr. 22, Mai 1934.
Akademie der Künste, Berlin, Kunstsammlung, JH, Inv.-Nr. 780. © VG Bild-Kunst, Bonn 2015

John Heartfield: Wie im Mittelalter … so im Dritten Reich (1934)

Eine Fotomontage für die AIZ, mit dem Schauspieler Erwin Geschonneck als Modell

Unsere Feinde berechnen die Dauer ihrer Herrschaft, wie ich gelesen habe, auf etwa 30 000 Jahre (dreißigtausend), einige Vorsichtigere nur auf 20 000 Jahre.

Bertolt Brecht in einem Brief an George Grosz, Svendborg, im Mai 1934


Im Frühjahr 1934 lebten der Schauspieler Erwin Geschonneck und der Graphiker John Heartfield in einem gemeinsamen Emigrantenquartier in Prag. Heartfield arbeitete an einer Fotomontage für die Arbeiter Illustrierte Zeitung (AIZ), in der er eine mittelalterliche Fensterskulptur der Tübinger Stiftskirche, die den aufs Rad geflochtenen Märtyrer Georg zeigt, mit der fotografischen Darstellung eines Opfers des Nationalsozialismus verknüpfte, das symbolisch an die Balken eines Hakenkreuzes gefesselt war.

Für das Foto lag ihm Erwin Geschonneck Modell. „Es war sehr heiß, als wir die Aufnahmen machten“, erinnerte dieser sich später. „Wir gingen auf das Dach eines kleinen, niedrigen Hauses, auf dem Johnny von Genossen ein Holzgestell hatte errichten lassen, denn er brauchte ungefähr die Haltung des Körpers. Dieses Holzgestell war ein Kreuz, natürlich nicht so ein Hakenkreuz wie auf der Montage, sondern ein Holzkreuz – und ich mußte mir schon die Mühe machen […], mich draufzulegen. Es war etwa einen Meter über dem Boden, und ich mußte die ganze Zeit nackt darauf liegen, bis er mit seiner Leica alles mehrere Male fotografiert hatte.“ (Erwin Geschonneck, Meine unruhigen Jahre, 1984, S. 59)

Der Heilige Georg, Nothelfer und Kirchenpatron, war eine in der Überlieferung verehrte Gestalt. Der Überlieferung nach entstand die Skulptur an der Tübinger Kirchenmauer im 15. Jahrhundert, zu einem Zeitpunkt, als man an die Hinrichtung eines in der Stadt zu Unrecht verurteilten Handwerksgesellen erinnern wollte. John Heartfield zeigte, dass sich das nationalsozialistische Regime ebenso gewaltsamer Methoden bei der systematischen Verfolgung und Bestrafung Andersdenkender bediente.  

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