Joseph Hahn: Zum Gedenken an meine Eltern
Zum gegeißelten Augenaufschlag
des Menschengeschlechts
ward ihr geboren,
zur sinkenden Träne
zum rufenden Schrei.
Auszug aus dem Gedicht Zum Gedenken an meine Eltern, 2004
1939 hatte Joseph Hahn in einem sehr wörtlichen Sinn seine Heimat verloren; faktisch gab es sie durch die Okkupation des Sudentenlandes nicht mehr. Doch es war nicht nur das Land, das er verlor. Seine Eltern waren in der Tschechoslowakei geblieben und wurden 1943 nach Theresienstadt gebracht. Seine Mutter starb dort. Sein Vater wurde nach Auschwitz deportiert und vergast. Erst 1947 erfuhr er von den genauen Umständen ihres Todes.
In Hahns Texten und Zeichnungen des Exils wurden seine Eltern und ihr Schicksal immer wieder zum Gegenstand, so auch in dem Gedicht Zum Gedenken an meine Eltern. Die künstlerische Aufarbeitung der deutschen Geschichte galt jedoch nicht nur seinem persönlichen Schicksal, sondern dem Holocaust in seiner Gesamtheit. Seine Texte verfasste er auf Deutsch, was umso erstaunlicher ist, da er im Exil nur in sehr seltenen Ausnahmen deutsch sprach. Er erklärte dies in einem Interview so: Die Umgangssprache war für ihn die Sprache der Täter, die literarische Sprache hingegen sah er weiterhin mit den großen deutschen Dichtern und Denkern verbunden.
Dieser Zweispalt macht deutlich, wie einschneidend die Erlebnisse der 1930er- und 1940er- Jahre für ihn gewesen waren. Das Erlebte machte ihn zu einem Menschen, der mit geschärfter Wahrnehmung durchs Leben ging. Seine Zweifel und Kritik an der Gesellschaft brachte er in seiner Kunst zum Ausdruck, unter anderem auch zu Themen der Atomarisierung, der Zerstörung der Natur sowie der Entfremdung des Menschen.