Lea Grundig: Flüstern und Lauschen, Radierung (1936)
Lea Grundig: Flüstern und Lauschen, Radierung (1936)
Arbeiten können, das Furchtbare, Bedrückende in Form bannen, es aussprechen und dadurch freier werden – das war unsre Lust, unser täglicher Kampf, unser tägliches Sich behaupten. Es richtig benennen, so daß andre es erkannten, sein Mördergesicht zeichnen, so daß andren klar wurde; den Abscheu bestätigen und den Haß bejahen, die Liebe verstärken und gegen die grauenhafte, tausendgesichtige Angst die Faust heben – das war unsre Arbeit in jenen Jahren.
Aus den Lebenserinnerungen von Lea Grundig, 1958
Diese Radierung – mit dem Titel Flüstern und Lauschen – stammt aus der 20-teiligen Folge Unterm Hakenkreuz (1936) der Künstlerin Lea Grundig. Festgehalten hat sie hierin die Lebensbedingung unter der nationalsozialistischen Diktatur. Bei der Umsetzung standen eigene Erlebnisse ebenso im Fokus, wie allgemeine gesellschaftliche Beobachtungen. Die Radierungen sind als Anklage gegen das diktatorische System zu verstehen. Das Blatt Flüstern und Lauschen thematisiert die alltägliche und zugleich fast unscheinbare Bedrohung der Denunziation. Es zeigt, dass der Staat seine Macht soweit ausgedehnt hat, dass vor allem Misstrauen und Angst unter den Menschen herrschen: Misstrauen gegenüber anderen, nicht wissend wer Freund oder bereits Feind ist. Angst, das Falsche zu sagen oder zu tun, so dass man verraten und den Herrschenden ausgeliefert wird.
Lea und ihr Mann Hans Grundig fassten ihre Druckgrafik als unmittelbare Möglichkeit des Kampfes gegen den Faschismus auf, sie wollten diesen treffen, wo immer sie nur konnten. Auf einer eigenen Druckpresse wurden Abzüge hergestellt, die im mehr oder weniger engen Kreis des Widerstandes als Mittel der Bewusstwerdung, der Kommunikation sowie der antifaschistischen Propaganda dienten. Einige Arbeiten wurden von Freunden und Unterstützern, zum Beispiel von Helene Weigel und Theo Lingen zur Veröffentlichung ins Ausland geschmuggelt. So wurden sie zum Instrument des Widerstandes innerhalb und außerhalb des Dritten Reichs.