Lea Grundig: Nachts im Lager Atlit, Aquarell (August 1941)
Lea Grundig: Nachts im Lager Atlit, Aquarell (August 1941)
Zweitausend Menschen […] versuchten, ihrem Leben durch Tun einen Sinn zu geben. Sie entsannen sich ihrer Berufe, und siehe, sie brauchten sich gegenseitig. […] auch ich fand eine Beschäftigung. Denn es gab keinen, der nicht einmal im Jahr Geburtstag hatte, und da wurden Geburtstagskarten gebraucht mit Bildchen; es mußte vorgezeichnet werden für Stickereien und Muster.
Aus den Lebenserinnerungen von Lea Grundig, 1958
Als Schiffbrüchige der Patria und somit als illegale Einwanderin kam die Künstlerin Lea Grundig im November 1940 nach Palästina. Von der britischen Mandatsregierung wurde sie im Lager Atlit interniert. Nach kurzer Zeit begannen die Gefangenen, sich selbst zu organisieren. Jeder brauchte etwas und jeder konnte etwas. Lea Grundig konnte zeichnen und genau das tat sie dort. Sie entwarf für die Gemeinschaft beispielsweise Glückwunschkarten oder arbeitete an der Lagerzeitung mit. In ihrem Verständnis als Künstlerin hielt sie daneben vor allem Szenen des Lageralltags fest, so auch in dem Aquarell Nachts im Lager Atlit. Während ihrer fast einjährigen Internierung entstanden etwa 100 Grafiken. Darunter finden sich unter anderem Werke, die sich kritisch mit dem Faschismus auseinandersetzen, wie die 18-teilige Folge Antifaschistische Fibel.
Im März 1941 bespannte Lea Grundig die Wände der Lagerwaschküche mit roten Decken, befestigte ihre Zeichnungen mit Stecknadeln daran und eröffnete ihre erste Exilausstellung. Die gezeigten Arbeiten waren dabei so vielfältig wie ihre „Reise“: „Da hingen Landschaften und Tierbilder, die in Bratislava entstanden waren, die griechischen Inseln, vom Schiff gesehen, und die zahllosen Zeichnungen von den Menschen hier. Auch eine politische Abteilung war inzwischen entstanden […]. […] Übrigens hatte die britische Lagerverwaltung die Zeichnungen vorher zensiert und abgestempelt.“ (Lea Grundig, Gesichte und Geschichte, 1984)