Hans Günter Flieg: Letzte Fotografie in Chemnitz und erste Fotografie in São Paulo (1939)
Hans Günter Flieg: Letzte Fotografie in Chemnitz und erste Fotografie in São Paulo (1939)
Die Geschichte dieses Films ist die Geschichte des schwarzen Streifens zwischen den beiden Fotos.
Hans Günter Flieg in einem Interview, 2013
Der Fotograf Hans Günter Flieg emigrierte 1939 mit seiner Familie nach Brasilien. Auf ein und demselben Negativstreifen entdeckte er später, dass das letzte Bild aus Chemnitz und das erste aus São Paulo unmittelbar nebeneinanderstehen.
Hinter dem schwarzen Streifen, der die beiden Bilder voneinander trennt, liegt die Geschichte der Reise von Deutschland nach Brasilien verborgen, tausende Kilometer, zusammengeschrumpft auf einen schmalen Strich. Er erzählt vom Abschied aus der vertrauten Umgebung, dem letzten Blick aus dem Fenster der Familienwohnung auf dem Chemnitzer Kaßberg, von Mit-Emigranten, die der Jugendliche im Zug über den Brenner oder am Hafen kurz vor der Überfahrt traf und an die er sich bis heute fotografisch genau erinnern kann. Er markiert für Flieg den Beginn des Zweiten Weltkriegs, den die Familie unterwegs erlebte. Und er verweist schließlich auf die Ankunft im Exil, wo der Blick des Fotografen als erstes auf eine Blumenvase fällt, einen vertrauten Gegenstand, der hier jedoch mit exotisch anmutenden Orchideen gefüllt ist.