Herbert Fiedler: M.J. Kosterstraat im Winter (1942)
Herbert Fiedler: M.J. Kosterstraat im Winter (1942)
Die Judenfrage ist hier bei vielen Holländern wieder im Vordergrund, einer flüstert’s dem anderen zu, daß heute nacht ein Transport von 6000 nach Deutschland gehe. Man schicke sie nach Schlesien und Polen und dort würden sie getötet.
Herbert Fiedler, 6. Juli 1942
Die Faszination des Malers Herbert Fiedler für die Stadt mit allen ihren Facetten lebt in Amsterdam wieder auf. „Abends den Singel heruntergebummelt, bis zur Centraal Station. Was für eine unglaublich schöne Gegend und wie oft denkt man ans alte Paris“, schreibt er am 8. Dezember 1941. In dem Haus M.J. Kosterstraat Nr. 11, von dessen Fenster der Blick über die Eingangstreppe auf die Rückseite der Häuser an der Sarphatistraat gelenkt wird, wohnte und arbeitete Fiedler von November 1940 bis Ende 1960. Er hatte es als Mieter von seinem Freund Kurt Kahle übernommen.
„Hiermit erklärt der Unterzeichnende, dass er während der deutschen Besetzung mehrere Male das Haus von H. Fiedler M.J. Kosterstraat 11 als Untertauchadresse benutzt hat“, schrieb Nicolaas Wijnberg am 1. September 1945. Der niederländische, damals noch junge vielseitige Künstler, der wiederum seine jüdische Freundin bei seinen Eltern versteckte, war nicht die einzige Person, der im Kellerraum des Gartenhauses der M.J. Kosterstraat Nr. 11 zeitweise Unterschlupf geboten wurde.
Am 6. Juli 1942 äußerte Fiedler sich in seinem Journal noch etwas skeptisch gegenüber den Gerüchten in holländischen Kreisen über Deportationen von Juden: „Man hört davon und widerspricht natürlich dem Letzten mit Nachdruck, sie jedoch behaupten, Hitler habe gesagt, ob der Krieg gewonnen werde oder nicht, die Juden jedenfalls seien dann aus Europa verschwunden. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas gelesen oder gehört zu haben.“
Aus Amsterdam fuhr der erste Zug mit Juden am 15. Juli 1942 in Richtung Osten.
Text: Ursula Langkau-Alex, International Institute of Social History, Amsterdam