Lyonel Feininger: Blick aus dem Fenster im New Yorker Atelier (1939)

Fotografie: Lyonel Feininger, Blick aus dem Fenster des New Yorker Ateliers
Lyonel Feininger, Blick aus m. Fenster im 11tenStock / die schöne Kurve der 2nd Avenue Bahn an der 23rd Street, Ecke 2nd Ave, Gelantinesilber-Kontaktabzug, 1939
Bauhaus-Archiv Berlin, Inv.nr. 2000/3.1, © VG Bildkunst, Bonn 2015

Lyonel Feininger: Blick aus dem Fenster im New Yorker Atelier (1939)

Obgleich wir nun schon über zehn Jahre in New York wohnen, haben wir immer noch Hemmungen, richtige New Yorker zu werden, wir sind entweder fasciniert oder entsetzt über diese Stadt, die, seit Leo als Kind und junger Mensch hier lebte, sich derart verändert hat, dass er seine eigene Heimat nicht wiedererkennt – für mich ist die erste Begeisterung auch etwas abgemildert, da es wirklich äusserst schwer ist, sich mit den gegebenen Verhältnissen abzufinden. Besonders der Lärm und – verzeihen Sie – der Dreck, sind einfach unüberwindlich.

Julia Feininger in einem Brief an Frau und Herrn Ralfs vom 21. April 1947


Nach dem Sommerkurs, den Lyonel Feininger am Mills College in Kalifornien gegeben hatte, zogen die Feiningers nach New York, in das Zentrum künstlerischen Lebens. Die ersten Monate an der Ostküste wohnten sie im Hotel Earle am Washington Square bis sie eine Wohnung fanden. Die kleine Wohnung mit Blick auf Hochbahn und Straßenkreuzung, in der Lyonel Feininger bis zu seinem Tod leben sollte, befand sich im New Yorker Bezirk Murray Hill. In enger Nachbarschaft lebte der Maler Mark Tobey, den Feininger 1943 bei einer gemeinsamen Ausstellung in der New Yorker Willard Gallery kennengelernt hatte. Zwischen beiden entwickelte sich eine enge Freundschaft.

Feiningers hatten in Dessau bis 1933 sehr ruhig und im Grünen in der Meisterhaussiedlung gewohnt. Die großzügigen Räumlichkeiten mit geräumigem Atelier und Sonnenterrassen gaben sie auf, nachdem die Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 die Wohnung durchsucht hatten. Bis zu ihrer Ausreise in die USA lebte der Bauhausmeister mit seiner Familie in Berlin-Siemensstadt.

Die Wolkenkratzer irritierten den Maler bei seiner Ankunft zunächst, bis er sie ab 1940 als Motive akzeptierte und als flüchtige Visionen von Strukturen zeichnerisch und malerisch verarbeitete. Das Motiv der hohen Türme war bereits in Europa Teil des Werks Feiningers: in dem sich wiederholt Türme historischer Gebäude, wie die Türme der Kirchen in Gelmeroda und Halle oder der Torturm von Ribnitz-Damgarten wiederfinden. Das quirlige Leben der Großstadt, die Menschen und Fahrzeuge blieb in Feiningers Bildwelt außen vor.

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