Lotte Eisner: Brief an Fritz Lang (20. November [1937])
Lotte Eisner: Brief an Fritz Lang (20. November [1937])
Ich dachte in meinen Freundschaften nicht an das, was ich davon profitieren könnte, ich half, wo ich konnte, und wenn ich merkte, daß der andere unfähig war, auf gleiche Weise zu geben, war ich nicht beleidigt, denn mir war die gemeinsame Sache wichtiger, und die gemeinsame Sache war der Film – vielleicht sollte ich lieber sagen, die gemeinsame Krankheit, denn eine ansteckendere und lang anhaltendere Seuche kenne ich nicht.
Lotte Eisner über ihre Beziehung zu Fritz Lang
Lotte Eisner hatte den Regisseur Fritz Lang durch ihre Arbeit beim Berliner Film-Kurier kennen gelernt, für den sie ab 1927 regelmäßig Kritiken schrieb. Sie war damit in Deutschland eine der wenigen Frauen, die sich professionell mit dieser noch jungen Kunstgattung auseinandersetzte. Über die Jahre entwickelte sich zwischen Eisner und Lang eine Freundschaft, die durch die Exilerfahrung noch einmal verstärkt wurde. Eisner floh im April 1933 vor den antisemitischen Machthabern nach Paris; Lang folgte einige Monate später. In Vorbereitung auf seinen ersten in Frankreich produzierten Film Liliom (1934) zeigte Eisner ihm die Pariser Floh- und Jahrmärkte und alle „bunten und malerischen Flecken“, die sie kannte.
Der Regisseur erhielt bald darauf einen Vertrag bei MGM und reiste weiter nach Hollywood, hielt aber Briefkontakt mit der Freundin, die sich in Paris mit Gelegenheitsjobs und bald auch als Filmkritikerin für verschiedene Zeitungen eingerichtet hatte – sie schrieb beispielsweise für die Zeitung ihres Film-Kurier-Kollegen Hans Feld, der im Exil in Prag lebte, und die antifaschistische Internationale Filmschau. Engagiert warb sie bei Lang um Beiträge für diese Zeitschriften, schrieb außerdem stets Kurzkritiken zu seinen neuesten Filmen.
Der Briefwechsel mit dem Regisseur enthält nur wenig Privates. In erster Linie geht es immer um ihre gemeinsame Leidenschaft, den Film. 1976, im Jahr seines Todes, erschien Lotte Eisners Monografie über Fritz Lang.
Literatur:
Eisner, Lotte H.: Ich hatte einst ein schönes Vaterland. Memoiren. Geschrieben von Martje Grohmann. Mit einem Vorwort von Werner Herzog. Heidelberg: Wunderhorn 1984