Jan Tschichold: Schatzkammer der Schreibkunst (1945)
Jan Tschichold: Schatzkammer der Schreibkunst (1945)
Im Juli 1933 war dem Typografen und Buchgestalter Jan Tschichold – nach Entlassung und Verhaftung – die Flucht in die Schweiz gelungen. Mit einer Teilarbeitsgenehmigung unterrichtete er an der Allgemeinen Gewerbeschule in Basel und nahm Gestaltungsaufträge für Verlage an. Ab 1941 konnte er fest angestellt als Buchhersteller für den Basler Verlag Birkhäuser arbeiten. Hier verantwortete er die Gestaltung der Reihe Birkhäuser Klassiker. Darüber hinaus veröffentlichte Tschichold in der Schweiz auch Fachbücher und –artikel. Im Jahr 1945 erschien bei Birkhäuser das von ihm herausgegebene und gestaltete Buch Schatzkammer der Schreibkunst.
Tschichold war seit den 1920er Jahren ein Vorreiter der „neuen Typografie“ gewesen, einer Gestaltungsrichtung, die ein funktionales, schnörkelloses Design (z. B. serifenlose Schriften, asymmetrische Anordnung von Gestaltungselementen) propagierte. Im Exil löste sich der Typograf von dieser Haltung wieder und wandte sich traditionelleren, historischen Gestaltungsformen zu.
In Schatzkammer der Schreibkunst präsentiert Tschichold eine Auswahl von Kalligrafien vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Sie sollte angehenden Schriftgestaltern als Quelle für das Studium historischer Schriftformen dienen. Das Erlernen dieser Schriften brauche „Geduld und Ausdauer“, schreibt Tschichold in seinem Vorwort. „Aber es harmonisiert wie kaum eine andere Tätigkeit den ganzen Menschen und kann darum jedermann empfohlen werden.“ (Tschichold, Schatzkammer der Schreibkunst, 1945)