Bertolt Brecht: Auf der Flucht vor dem A., Manuskript (1941)
Bertolt Brecht: Auf der Flucht vor dem A., Manuskript (1941)
auf der flucht vor
dem A./
ließ ich in deutschland
mein volk/
in schweden meine Bücher
in rußland meine
mitarbeiterin/
wohin fliehe ich?/
wer belehrt mich?/
wie soll ich arbeiten?
Bertolt Brecht, Auf der Flucht vor dem A., 1941
Dieses Gedicht des Schriftstellers Bertolt Brecht wurde erst über 50 Jahre nach dessen Tod in dem vermutlich letzten unbekannten Teilnachlass von Brecht, der Sammlung von Victor N. Cohen, entdeckt.
Die Ziffer 2 auf dem Manuskript verweist auf einen ersten Teil des Gedichts: den bereits 1964 erstmalig veröffentlichten Gedicht Taifun. Aufschluss über Datum und Entstehungsort des Gedichts gewährt ein Verweis auf dem Manuskript von Taifun. Brecht schrieb die Zeilen am 27. Juni 1941 auf dem Passagierschiff Annie Johnson nieder. Mit der Annie Johnson reiste Brecht, der im Mai 1941 ein Visum für die USA erhalten hatte, von der russischen Stadt Wladiwostok nach San Pedro in Kalifornien.
Während der Überfahrt lag das Schiff 24 Stunden still. Die Überlegungen der Passagiere über die Gründe für den Stillstand hielt Brecht in Taifun fest:
„Auf der Flucht vor dem Anstreicher nach den Staaten / Merkten wir plötzlich, daß unser kleines Schiff stillag. / Eine ganze Nacht und einen ganzen Tag / Lag es auf der Höhe von Luzon im Chinesischen Meer. / Einige sagten, eines Taifuns wegen, der im Norden tobte / Andere befürchteten deutsche Piratenschiffe. / Alle / Zogen den Taifun den Deutschen vor.“
Die Beschreibung einer allgemeinen Bedrohung in Taifun durch den „Anstreicher“– wie Brecht Adolf Hitler nannte – weicht im zweiten Teil einer Auflistung der persönlichen Verluste, die Brecht während der Jahre des Exils zu verzeichnen hatte. Die Mitarbeiterin, deren Verlust Brecht betrauert, ist Margarete Steffin, die während der Reise in die USA in Moskau an Tuberkulose verstarb.