Ludwig Mies van der Rohe: Rundschreiben an die Studierenden des Bauhauses Dessau (1932)

Brief: Ludwig Mies van der Rohe
Rundschreiben von Ludwig Mies van der Rohe zur Schließung des Bauhauses in Dessau, 24. August 1932
Stiftung Bauhaus Dessau, I 43377, © VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Ludwig Mies van der Rohe: Rundschreiben an die Studierenden des Bauhauses Dessau (1932)

das bauhaus in berlin ist überraschenderweise von der polizei geschlossen worden. sie suchen belastendes material gegen den oberbürgermeister von dessau, dem sie das gehalt streichen möchten.
es wäre schade, sehr schade um die kulturelle bedeutung unserer arbeit, die den deutschen nur nützen und weltgeltung verschaffen würde, anstatt alte stile wieder herauszukramen und neu aufzupolieren.

Eduard Ludwig an seine Eltern, 16. April 1933


Nachdem Hannes Meyer als Leiter des Bauhauses die Kündigung erhalten hatte, weil er die politischen Aktivitäten der Studenten nicht unterband, übernahm Ludwig Mies van der Rohe die Leitung der Schule. Mit seinem Amtsantritt erließ der als unpolitisch geltende Architekt eine neue Satzung, die den Studenten politisches Engagement untersagte. Während sich sein Vorgänger als Kamerad unter Kameraden sah, arbeitete Mies van der Rohe mit autoritären Methoden. Er gestaltete den Lehrplan um und legte den Schwerpunkt auf die Architektur. Das Bauhaus profitierte von den unter Hannes Meyer geschlossenen Verträgen mit der Industrie, die der Institution zusätzliche Einnahmen bescherten. Dennoch beantragte die NSDAP, die im Dessauer Stadtparlament die Mehrheit besaß, am 22. August 1932 die Schließung des Bauhauses. Die Dienstverträge wurden zum 1. Oktober 1932 rechtswidrig durch die NSDAP gekündigt. Die anschließend gezahlten Entschädigungen und die Einnahmen aus der Industrie halfen das Bauhaus in Berlin als Privatinstitut von Mies van der Rohe zu finanzieren.

Mit dem Umzug nach Berlin im Herbst 1932 versuchte das Bauhaus sich noch einmal zu etablieren, wurde jedoch mit der Machtübernahme Hitlers im folgenden Jahr am Fortbestand gehindert. Nach einer Hausdurchsuchung „nach kommunistischem Material“, das Dessaus Bürgermeister Fritz Hesse belasten sollte, wurde das Gebäude durch die Gestapo am 11. April 1933 versiegelt. Durch die Versiegelung des Gebäudes konnten die Verträge des Bauhauses mit der Industrie nicht eingehalten werden, und dem Bauhaus gingen die für ein Fortbestehen wichtigen Einnahmen verloren, so dass sich das Lehrerkollegium gezwungen sah, das Bauhaus aufzulösen.

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