Der Briefumschlag und der zugehörige Brief vom 27. Mai 1940 geben Einblick in Leitners verzweifelte Bemühungen um Rettung aus ihrer bedrohlichen Situation. Eine intensive Briefkorrespondenz mit der American Guild prägte ihre letzten Lebensjahre maßgeblich. Die besondere Dramatik, die dem Brief innewohnt, besteht darin, dass er Leitner nie erreicht hat. „Retour au envoyeur“, wurde darauf gestempelt – das Schreiben ging an den Absender zurück. Der Grund ist ebenfalls auf dem Umschlag vermerkt: Leitner „est parti[e] sans laisser adresse“. Sie habe den Wohnort gewechselt, ohne ihre neue Adresse anzugeben. Ungewöhnlich war dies nicht – Leitner war im südfranzösischen Lager Gurs interniert worden und teilte so ein Schicksal mit vielen im europäischen Ausland lebenden Deutschen.

Der Brief hätte ein Hoffnungsschimmer für sie sein können, da darin um die Übersendung von Manuskripten gebeten wird, um diese gegebenenfalls in Amerika zu veröffentlichen. Das hätte Leitner sowohl die dringend benötigte finanzielle Stütze geboten als auch ihren Namen bekannter werden lassen. Der Elan, mit dem sie diesen Plan verfolgte, zeigt sich in ihrem Brief vom 16. April 1940, auf den in dem hier vorliegenden geantwortet wird. Darin berichtet sie von Textentwürfen und erklärt sogar, Kurzgeschichten auf Englisch verfassen zu wollen. Dies war sicherlich eine besondere Hürde, da Englisch für sie eine Fremdsprache darstellte. Ihre Erschütterung darüber, keine Antwort der American Guild erhalten zu haben, zeigt sich in späteren Briefen.

(Text: Marie-Luise Vörös)

Weiterführende Literatur:

Berthold, Werner u.a. (Hg.): Deutsche Intellektuelle im Exil. Ihre Akademie und die „American Guild for German Cultural Freedom“. Eine Ausstellung des Deutschen Exilarchivs 1933-1945 der Deutschen Bibliothek, Frankfurt am Main, München u.a.: Saur 1993.

Killet, Julia / Schwarz, Helga W. (Hg.): Maria Leitner oder: Im Sturm der Zeit. Berlin: Karl Dietz Verlag 2013.