Gina Kaus: Affidavit für ihre Mutter
Gina Kaus: Affidavit für ihre Mutter
Today she is over eighty years old, but inspite of the shattering events of the last three years she has remained vigorous in spirit and in body.
Gina Kaus im Affidavit für ihre Mutter
Über ein Affidavit, eine beglaubigte Bürgschaftserklärung, konnten in die USA geflüchtete Exiliant*innen den Nachzug ihrer Familienangehörigen ermöglichen. Tatsächlich gelang es Kaus, ihre Mutter gemeinsam mit ihrem Bruder zu ihrer Familie nach Los Angeles nachkommen zu lassen. In einem so kräftigen Zustand, wie im Affidavit behauptet, befand sich ihre Mutter, die mit über 82 Jahren in den USA ankam und unter Gallensteinen litt, allerdings nicht.
Noch bei Kaus’ Flucht aus Wien im Jahr 1938 hielt die Schriftstellerin eine Auswanderung ihrer Mutter für undenkbar. Bei ihrer erneuten Emigration von Paris in die USA ging sie sogar davon aus, ihre kranke und psychisch angeschlagene Mutter nie wiederzusehen. Als sich die Lebenssituation ihrer Mutter und ihres Bruders in Adge, einem kleinen Ort in Südfrankreich, zunehmend verschlechterte, bemühte sich die Schriftstellerin um Visa für die beiden. Dies erforderte jedoch weitaus mehr als das Verfassen eines Affidavits. Nur über persönliche Kontakte gelangten Kaus’ Mutter und Bruder an ihre Visa. Der genaue Zeitpunkt ihrer Ankunft in den USA ist nicht gesichert. Kaus kommentiert diese in ihrer Autobiografie wie folgt: „Eines Morgens standen sie auf der Pier in New York, ohne ein Wort Englisch zu sprechen und ohne einen Cent in der Tasche.“
(Text: Esther Röcher)