Thomas Mann: Brief an Hans Meisel

Thomas Mann: Brief an Dr. Hans Meisel
Thomas Mann: Brief an Dr. Hans Meisel, 1. Februar 1942, kommentiert von Joey, Leah und Max
Deutsches Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek, EB autograph 826, mit freundlicher Genehmigung von Frido Mann, © S. Fischer Verlage, Frankfurt am Main

Thomas Mann: Brief an Hans Meisel

Junges Museum

Ich freue mich nicht wenig auf meinen Münchener Schreibtisch und auf die Bücher. Ueberhaupt werden wir nie schöner gewohnt haben (Futurum exactum), als nun im Elend.

Thomas Mann an Hans Meisel, 1. Februar 1942


Vor mir liegt der Brief von Thomas Mann an seinen Sekretär Hans Meisel. Der Brief sieht noch sehr gepflegt aus, die Seiten sind gelb und der Text wurde mit Füller geschrieben. Wenn ich mir überlege, wie wenige Menschen diesen Brief nur sehen können, bin ich sehr erfreut, dass ich so etwas Einzigartiges in den Händen halten darf.

Der Brief wurde von Thomas Mann geschrieben, als er in den Vereinigten Staaten von Amerika war, denn ab 1933 waren die Nationalsozialisten an der Macht und deswegen ging Thomas Mann zunächst nach Frankreich und in die Schweiz und schließlich in die USA ins Exil.

Am Anfang des Briefes bedankt sich Thomas Mann, dass ihm Hans Meisel einen Hinweis auf ein Buch gegeben habe und dass er es sich schicken lassen wolle. Thomas Mann beschreibt, dass er nie schöner gewohnt habe als in Deutschland und dass er in seinem jetzigen Haus im Elend lebe. Ich denke mir, dass er sehr traurig war. Die Vorstellung, dass ich nie wieder nach Deutschland zurückzukehren könnte, meine Freunde, Verwandten und meine Bekannten dort lassen müsste, ist für mich eine sehr traurige Vorstellung.

Thomas Mann erzählt, dass er seine Bücher und seinen Schreibtisch sehr vermisse. Daraus schließe ich, dass sie ihm sehr viel bedeuteten. Thomas Mann ist sehr deprimiert, weil er wahrscheinlich nicht mehr nach Deutschland kann. Aber zwischendurch erwähnt der Schriftsteller, dass sein neues Arbeitszimmer ein Traum sei und das wiederum sei gut, weil er mehr Bücher schreiben und sich jeder Leser über seine Bücher freuen könne.

Thomas Mann erwähnt auch, dass er ein Buch geschrieben habe, um so seine starken Emotionen zu bewältigen. Er gehörte zum „staff“ der Library of Congress in Washington und leistete auch einen Beamten-Eid. Doch das interessierte ihn eigentlich gar nicht, er wollte sich dort nur ein paar Mal blicken lassen. Dies weist darauf hin, dass Thomas Mann sehr traurig, sehr allein war. Ich glaube, ich wäre dort jeden Tag gewesen, weil mich das sehr interessiert hätte. Thomas Mann schien nur noch Weniges zu interessieren, wegen seiner Depression, dass finde ich sehr bedrückend und bekümmernd. Der Brief ist sehr spannend zu lesen.

Joey



Am 1. Februar 1942 schrieb Thomas Mann an seinen ehemaligen Sekretär Hans Meisel. Zu dieser Zeit lebte Thomas Mann schon in Princeton im Exil. Zuvor war er vor den Nationalsozialisten erst nach Frankreich und schließlich in die Schweiz geflohen, wo er an einer Depression erkrankte. Deutschland wurde seit 1933 von den Nationalsozialisten regiert. Thomas Mann beschreibt, wie sehr er seinen deutschen Schreibtisch und seine Bücher vermisst. Sein Schreibtisch symbolisierte für ihn in der Zeit des Exils Heimat und Halt, deshalb ließ er sich diesen Tisch an jede Station seines Exils nachschicken. Inge Jens schreibt in ihrem Buch Am Schreibtisch: Thomas Mann und seine Welt (Rowohlt, Reinbek 2013): „Thomas Manns Schreibtisch ist Symbol für schwer errungenes Überleben, für Erfolg und öffentliche Anerkennung und zugleich Zeuge von Niederlagen und Demütigungen.“

Andererseits denkt Mann, er werde materiell nie besser leben als jetzt, doch in seinem geistigen Elend kann er sein Leben nicht genießen. Er hat keine Hoffnung mehr, seine Heimat, sein Haus oder seine Kindheitsorte je wiederzusehen. Der Schriftsteller muss ein völlig neues Leben beginnen. Wahrscheinlich macht er sich auch Sorgen, wie es seinen Freunden ergeht und wie es mit Deutschland weitergehen würde. Heute leben wir so sicher, es gibt feste Gesetze und Regeln, die uns schützen. Aber Thomas Mann musste aus seinem eigenen Land fliehen, in dem ihn keine Gesetze mehr schützten, in ein Land, in dem er noch nie war - und mit der Gewissheit, nie wieder in sein Heimatland zurückkehren zu können.

Beim Lesen des Briefes habe ich das Gefühl, dass Thomas Mann sehr unbeteiligt schreibt. Es wirkt, als hätte er sein wahres Ich in Deutschland gelassen und würde in Amerika nur noch funktionieren.

Leah



Vor mir liegt der Brief von Thomas Mann an Hans Meisel. Das Papier ist leicht gelblich und die Schrift ist kaum erkennbar. Zum Glück habe ich eine Fassung mit einer für mich lesbaren Schrift bekommen. Das hat mir meine Aufgabe sehr erleichtert. Am Anfang habe ich versucht die Schrift zu entziffern. Da das für mich fast unmöglich schien, habe ich die neben mir liegende Druckschriftfassung gelesen.

Als Thomas Mann den Brief schrieb, war er in Washington. Wegen der Judenverfolgung im nationalsozialistischen Deutschland, der jüdischen Wurzeln seiner Frau und seiner politischen Ansichten konnte Thomas Mann nicht länger in Deutschland bleiben.

In diesem Brief schreibt Thomas Mann an Hans Meisel, dass er bald in ein neues Haus einziehen werde, das fast fertig sei. Bis dahin lebe er in seinem alten Haus, freue sich aber auf seinen Arbeitstisch, der für ihn aus München nach Amerika transportiert werde. Er schreibt auch, dass er noch niemals so schön gelebt habe wie jetzt.

Man sagt, dass der Schreibtisch für Thomas Mann so etwas wie ein Fluchtpunkt war. Ohne diesen Schreibtisch fühlte er sich heimatslos, denn dieser Tisch hatte ihn um die halbe Welt begleitet.

In diesem Brief äußert Thomas Mann auch Kritik an der Novelle Thamar und hofft, dass die nächste Novelle besser werde.

Thomas Mann wurde von der Library of Congress als „Consultant for German literature“ ausgewählt, davon fühlte er sich nicht besonders angesprochen, weil er sich dort fast nie zeigen musste: „Es greift nicht sehr tief in mein Leben ein.“

Es muss für den Schriftsteller Thomas Mann bestimmt anstrengend gewesen sein, sich in einem anderen, fremden Land als ein deutscher Dichter zurechtzufinden, Fuß zu fassen und eine neue Sprache zu erlernen.

Max

 

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