Sonderausstellung: Ludwig Meidner

Ludwig Meidner, Die Abgebrannten (Heimatlose), 1912

Ludwig Meidner, Die Abgebrannten (Heimatlose), 1912
Ludwig Meidner, Die Abgebrannten (Heimatlose), 1912, Öl auf Leinwand, 63 × 84 cm
Foto: © Museum Folkwang Essen / ARTOTHEK, © Ludwig Meidner-Archiv, Jüdisches Museum der Stadt Frankfurt am Main, Museum Folkwang, Essen, Inv. Nr. G 562
Sonderausstellung: Ludwig Meidner

Ludwig Meidner, Die Abgebrannten (Heimatlose), 1912

"Im Sommer 1912 […] malte [ich] Tag und Nacht meine Bedrängnisse mir vom Leibe, Jüngste Gerichte, Weltuntergänge und Totenschädelgehänge, denn in jenen Tagen warf zähnefletschend das große Weltgewitter schon einen grellgelben Schatten auf meine winselnde Pinselhand. Ich gründete mit zwei Kameraden den Klub 'Die Pathetiker' und wir stellten unter dieser Fahne im Herbst desselben Jahres zum erstenmal in Berlin aus. Die folgenden Jahre waren voller Unruhe und nimmersatter Arbeit im Sturmesschritt."

Ludwig Meidner, „Mein Leben“, in: Lothar Brieger, Ludwig Meidner. Mit einer Selbstbiographie des Künstlers, einem farbigen Titelbild und 52 Abbildungen (Junge Kunst, Bd. 4), Leipzig 1919


Der künstlerische Durchbruch gelang Ludwig Meidner 1912 mit der Ausstellung der Künstlergruppe "Die Pathetiker" in Herwarth Waldens Galerie "Der Sturm". Die „Pathetiker“ waren eine kurzlebige Künstlervereinigung, der neben Meidner auch Jako Steinhardt und Richard Janthur angehörten. Der Name der Gruppe leitet sich von der von Stefan Zweig 1909 geprägten Bezeichnung "Das neue Pathos" ab, einer der Benennungen für die neue Dichtung, die später durch Kurt Hillers "Expressionismus" abgelöst wurden.

Heute sind die sogenannten "Apokalyptischen Landschaften", zwischen 1912 und 1916 entstandene Katastrophen- und Weltuntergangsszenarien, die als Vorahnungen des Ersten Weltkrieges interpretiert werden, die bei weitem bekannteste Werkgruppe Ludwig Meidners. Während die späteren Gemälde aus dieser Werkgruppe häufig weitläufige Landschaftspanoramen aus der Vogelperspektive wiedergeben, konzentriert sich diese frühe Komposition ganz auf die Menschengruppe im Vordergrund der ganz in kaltes Blau getauchten Landschaft. Das blasse, unwirkliche Licht, das keine eindeutige räumliche Zuordnung ermöglicht, deutet darauf hin, dass es sich um eine Nachtszene handelt. Vor der Ruine eines abgebrannten Hauses, liegen oder kauern die verzweifelten Menschen, ihrer Zuflucht beraubt. Die Schutzlosigkeit dieser Heimatlosen veranschaulicht die Figur in der Bildmitte, deren nackte Füße dem Betrachter zugekehrt sind.

Weiterführende Literatur:
Horcher in die Zeit. Ludwig Meidner im Exil (Ausstellungskatalog Museum Giersch der Goethe-Universität, Frankfurt am Main), München 2016.
Gerda Breuer und Ines Wagemann: Ludwig Meidner. Zeichner, Maler, Literat. 1884-1966. 2 Bde. (Ausstellungskatalog Mathildenhöhe Darmstadt), Stuttgart 1991.
Thomas Grochowiak: Ludwig Meidner Recklinghausen 1966.

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