Sonderausstellung: Ludwig Meidner

Ludwig Meidner - Nachkriegsdepression

Brief von Ludwig Meidner an Siegbert Prawer vom 3. Mai 1945
Brief von Ludwig Meidner an Siegbert Prawer vom 3. Mai 1945
Jüdisches Museum Frankfurt, Dauerleihgabe von Jon Prawer
Sonderausstellung: Ludwig Meidner

Ludwig Meidner - Nachkriegsdepression

… das Ende des humanen Zeitalters …

Brief von Ludwig Meidner an Siegbert Prawer vom 3. Mai 1945, Jüdisches Museum Frankfurt, Dauerleihgabe von Jon Prawer


Mit dem Kriegsende begann für Meidner eine besonders schwierige Zeit seines Exils. Die materielle Situation verschlimmerte sich, da viele der Hilfsleistungen für jüdische Flüchtlinge eingestellt wurden, die Isolation des Künstlers nahm zu und die Gräuel des Holocaust, von dessen Ausmaß er jetzt in vollem Umfang erfuhr, erschütterten ihn zutiefst. In einem Brief an Siegbert Prawer, einen seiner ehemaligen Schüler aus Köln, schrieb er wenige Tage vor der Kapitulation der Deutschen:

"Wir durchleben wieder historisch denkwürdige Tage wie vor 26 Jahren, die Du selber freilich nicht miterlebt hast, Tage, die ein Strafgericht abschliessen, das wohl eines der schwersten war im Ablauf der Menschheitsgeschichte. Hier in London herrscht seit 2 Wochen berechtigte Erregung über die Schreckenslager in Deutschland, von denen jetzt entsetzliche Photos öffentlich ausgestellt sind, solche, die meinen Cyclus "Massacres in Poland", an dem ich seit fast 2 Jahren arbeite, völlig ad absurdum führen, weil diese meine Blätter völlig harmlos u. gemütlich erscheinen mögen neben jenen Dokumenten der grausigen Wirklichkeit. Man kann diesen Begebenheiten garnicht genug Publizität verschaffen. Sie bezeugen leider das Ende des humanen Zeitalters und den Anfang einer Barbarei, von der man noch nicht sagen kann, in welches dunkle Elend sie uns hineinführen wird. Man muss weit zurückgehen in der Geschichte, bis auf Nebukadnezar, um auf Ähnliches zu stossen, das damals freilich alles in kleinem Masstabe vor sich ging. Wie jeder Harm, der sogar einem Sperling angetan wird, heimgesucht wird u. gesühnt werden muss, so werden die Deutschen in ihrer Gesamtheit ihre Verbrechen sühnen u. bereuen müssen." (Brief von Ludwig Meidner an Siegbert Prawer vom 3. Mai 1945)

Weiterführende Literatur:
Shulamith Behr, Ludwig Meidner: Exil, Kreativität und Holocaustbewusstsein, in: Horcher in die Zeit. Ludwig Meidner im Exil (Ausstellungskatalog Museum Giersch der Goethe-Universität, Frankfurt am Main), München 2016, S. 148-161.

Galerie