Joseph Roth, Manuskript des Romans "Hiob", 1930

Joseph Roth: Hiob
DLA Marbach, © Allert de Lange

Joseph Roth, Manuskript des Romans "Hiob", 1930

Junges Museum

Hiob

„Bitte sehr!“ Herrmann Axt, zuverlässiger Chefredakteur der „Frankfurter Zeitung“, hielt mir mit einem breiten Grinsen die neue Ausgabe des „Morgenexpress“ unter die Nase.
 „Wie gewünscht: ein Vorabdruck ihres Romanes ‚Hiob’. Frisch veröffentlicht, nun für ganz Frankfurt lesbar!“
 Erwartungsvoll blickte er mich an. Unschwer konnte man erkennen, wie gespannt er auf meine Reaktion war. Ich wollte ihm seine merkwürdige Hochstimmung nicht verderben, und so nahm ich ihm die Zeitung  mit gespielter Freude aus der Hand.
„Vielen Dank Herr Axt! Darauf warte ich nun schon seit Monaten! Schön, dass sie es endlich fertig gebracht haben, einen Vorabdruck zu erstellen und gar die Freiheit besaßen, ihn zu veröffentlichen!“

Um sicher zu gehen, dass er meinen tadelnden Kommentar auch richtig verstanden hatte, bestärkte ich ihn noch einmal mit einem mit einem ironischen Kopfnicken. Ohne mich ein zweites Mal umzusehen ging ich beschwingt den Gang hinab. In der Gegenwart von Herrn Axt hatte ich meine Freude nicht so sehr äußern können, niemals hätte ich geduldet, dass er am Ende den Trumpf im Ärmel hatte und das ganze Lob erntete. Und meine Gefühle ließ ich ihn bitter spüren.

Endlich! Endlich war er war geworden, mein Traum. Endlich war ein Vorabdruck meines mühevoll recherchierten und niedergeschriebenen Romanes „Hiob“ erschienen. Alle Welt würde begeistert davon sein, und wenn ich erst einmal positive Rückmeldung erhalten hatte, hätten die Verlage sicher keine Probleme mehr, das ganze Buch zu drucken. Trotz der vielen Arbeit hatte es mir unheimlich viel Freude bereitet, meinen Roman zu verfassen, denn ich konnte mich in vielerlei Bereichen sehr mit der Hauptperson Mendler identifizieren.

Beispielsweise die Gläubigkeit verband uns sehr, denn in meinem Roman wird Mendlers enges Verhältnis zu Gott überwiegend deutlich.  (...)

von Emeli Beck


An Hiobs Beispiel

Joseph Roth saß an seinem Schreibtisch, vor ihm ein unordentlicher Haufen Blätter. „Warum Herr?“, dachte er, „Warum nun auch noch dieses Opfer? Habe ich nicht alle deine Gebote von der Kindheit an so gut gehalten, wie ich es vermochte? War das nicht genug? Du verlangst zu viel von mir, o Herr!“ Er hatte nicht mehr die Kraft, die Worte laut auszusprechen. Zusammengesackt saß er in seinem Stuhl und starrte auf die Papiere, ohne wirklich etwas zu sehen. Reichte es nicht, dass er von jedem gemieden wurde? Reichten die herablassenden Bemerkungen der Verkäufer in den Läden nicht, wie nett sie doch seien, gute deutsche Waren an einen Juden zu verkaufen? Seit die NSDAP stärker wurde, war es so schwer für sie geworden. Erneut flehte er lautlos zum Allmächtigen. „Herr, nicht noch eine Prüfung! Ist mir nicht schon genug widerfahren? Ich kann das nicht alleine durchstehen! Hilf mir! Lass mich nicht untergehen und den Glauben verlieren!“

Er sah auf die Unterlagen und sein Blick trübte sich. Erst sein Vater, dann seine geliebte Rike. War es am Ende wirklich ein Fluch des Herrn? Doch wer aus seiner Familie sollte den Fluch auf sich geladen haben? Alle waren fromme Leute gewesen. Ihm war kein schwarzes Schaf bekannt. Er hatte all sein Erspartes aufgebracht, um Frederike in das bestmögliche Sanatorium schicken zu können. Er wusste sie in gute Händen, doch der Schmerz blieb. Wie sollte er das den Kindern erklären? Sie würden ohne die Liebe und Fürsorge ihrer Mutter aufwachsen. „O Herr“, schrie er, ohne die Lippen zu öffnen, „Wieso Rike? Was soll nun aus den Kindern werden? Du bist allmächtig, du bist groß! Nimm doch die Krankheit von Rike! Ich weiß, dass du es kannst! Doch wenn es dein Wille ist, meinen Glauben erneut so hart zu prüfen, so will ich still vertrauen. Niemand kennt deine Wege, sie sind unergründlich. Ich bitte dich nur: Lass mich nicht allein! Trage mich hindurch!“

Ihm fiel der Leidensweg Hiobs ein. Er maßte sich nicht an, sich mit ihm zu vergleichen, doch die Geschichte spendete ihm Trost. Hiobs Qualen waren ungleich größer gewesen als die seinen. Also würde auch er, mit der Hilfe des Herrn, diese schwere Zeit durchstehen. Er drehte eines der Dokumente um und schrieb ein einzelnes Wort darauf: Hiob.

„Herr, hilf mir, mich über das zu freuen, was du mir gibst und nicht um das zu trauern, was du mir nimmst. Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen, der Name des Herrn sei gelobt.“

So betete er und begann zu schreiben.

von Chantal Siggelkow