Leporello: David Ludwig Bloch
David Ludwig Bloch: Merry Christmas and a Happy New Year:
Leporello-Album Shanghai, 1946
Akademie der Künste Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Shanghai

 

Zuerst muß ich Ihnen aber wirklich sagen, wer ich bin. Ich bin Refugee, Kunsthistoriker und Schriftsteller und lebe gegenwärtig in Shanghai, China. Sie werden sagen, so etwas muß ungemein interessant sein, aber ich versichere Ihnen, es ist ungemein schwer.

Lothar Brieger in Die Gelbe Post, Juli 1939


Für viele, die erst 1938 in Folge der Novemberpogrome aus Deutschland ausreisten, entwickelte sich Shanghai zum letzten Zufluchtsort. Während immer mehr internationale Grenzen geschlossen wurden, konnte man noch bis 1941 in Teile der Stadt ohne Visum einreisen. Der von dem „International Council“, einem internationalen Magistrat, geleitete Stadtstaat stand jedem offen; so auch vielen deutschen Juden, die nach den Ausbürgerungsgesetzen von Hitler 1939 staatenlos geworden waren. Es wird geschätzt, dass 18.000 Menschen nach Shanghai gingen.

In der Hafenstadt angekommen, sahen sich viele der größtenteils mittellosen Einwanderer mit schwierigen Lebensbedingungen konfrontiert. Die Anpassung an das tropische Klima mit seinen langen Regenzeiten, an beengte Wohnverhältnisse sowie an einen heiklen Arbeitsmarkt verlangte den Europäern einiges ab. Mit der Errichtung eines Ghettos für jüdische Flüchtlinge durch die japanische Militärbehörde im Februar 1943 wurde das Leben der Emigranten weiter erschwert. Das Leben im Ghetto war durch Armut und einen kleinen Bewegungsradius in den Grenzen des Ghettos sowie durch Überwachung durch die japanische Militärbehörde gekennzeichnet.

Trotz vieler Unwägbarkeiten entwickelte sich in der Emigrantengemeinde ein vielseitiges kulturelles Leben. Obwohl kaum prominente Künstler nach Shanghai emigrierten, waren nahezu 200 Kulturschaffende in der Stadt künstlerisch tätig. Dies aber oft nur in der Freizeit und soweit die finanziellen Umstände es ihnen erlaubten. Im Saal des Kinos Eastern Theatre wurden 1939 König Ödipus und 1940 Nathan der Weise aufgeführt. Musiker fanden eine Anstellung im Städtischen Orchester Shanghais. Anspruchsvolle Texte wurden in der Zeitschrift Gelbe Post und Shanghai Jewish Chronicle veröffentlicht.

Weiterführende Literatur:
Barzel, Amnon: Leben im Wartesaal. Exil in Shanghai. 1938-1947. Berlin: Jüdisches Museum im Stadtmueseum Berlin 1997
Dreifuß, Alfred: Schanghai – Eine Emigration am Rande. In: Midell, Eike / Dreifuss, Alfred (Hg.): Exil in den USA. Leipzig: Reclam Verlag 1979
Mühlberger, Sonja: Geboren in Shanghai als Kind von Emigranten. Leben und Überleben (1939-1947) im Ghetto von Honkew. Berlin: Hentrich & Hentrich 2006 

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