Formalismusdebatte

Titelseite der Publikation
Titelseite von Hans Lauter, Der Kampf gegen den Formalismus in Kunst und Literatur, für eine fortschrittliche deutsche Kultur, Berlin: Dietz 1951
© Dietz Verlag Berlin, 1951

Formalismusdebatte

Staatliche Steuerung der Künste

Nach 1945 formierten sich in den beiden deutschen Staaten unterschiedliche Ansprüche an Kunst und Künstler. Während in der BRD infolge einer Rückbesinnung auf die Klassische Moderne abstrakte Werke, vor allem aber hohe Erwartungen an künstlerische Individualität vorherrschten, sollte in der DDR Kunst primär der Staatsidee dienen.

Ende der 1940er Jahre erhob sich von der Sowjetunion aus eine Doktrin, die Formalismus und Subjektivismus im Kunstschaffen als antidemokratisch bekämpfte. Stattdessen wurde eine inhaltlich verständliche, volkstümliche Kunst gefordert. 1951 verabschiedete das Plenum der SED einen Beschluss gegen Formalismus in Literatur und Kunst. Der damit innerhalb der DDR verbindliche „Sozialistische Realismus“ stand in bewusster Opposition zur Kunst des Westens. Ab 1954 wachte das Ministerium für Kultur über die landesweite Einhaltung. Auf staatlichen Druck entstand so eine gegenständliche Kunst, die dem Erhalt und Fortschritt des Arbeiter- und Bauernstaates verpflichtet war.

In der Praxis setzte diese politische Einflussnahme schon bei der Künstlerausbildung an. Die Vorgänge an der Hallenser Kunsthochschule Burg Giebichenstein in den 1950er Jahren sind beispielhaft: Damalige Konflikte vor Ort belegen einerseits, dass sich der verordnete antiformalistische Kurs nicht ohne Kontroversen und nur mit rigider Einschränkung künstlerischer Potentiale erreichen ließ. Zudem hält die Republikflucht der dortigen Lehrerin Lili Schultz 1958 den hohen Preis vor Augen, der bei strikter nonkonformer Haltung zu zahlen war.

Außer Schultz verließen im Kontext der Formalismusdebatte in den 1950er Jahren zahlreiche weitere Künstler wie die Maler Hermann Bachmann und Kurt Bunge die DDR, um einer staatlichen Bevormundung zu entgehen. Die Bevormundung blieb bis 1989 Anlass für viele Künstler, so beispielsweise 1961 für Gerhard Richter, aus der DDR zu emigrieren, um sich frei entwickeln und ausdrücken zu können.

Weiterführende Literatur: 
Goeschen, Ulrike: Kunstmodell und Normdiktat. Die Etablierung des Sozialistischen Realismus zwischen 1945 und 1953, in: Rehberg, Karl-Siegbert / Holler, Wolfgang / Kaiser, Paul (Hrsg.): Abschied von Ikarus. Bildwelten in der DDR – neu gesehen, Köln: Walter König 2012, S. 125-131.
Schröder, Benjamin / Staadt, Jochen (Hrsg.): Unter Hammer und Zirkel. Repression, Opposition und Widerstand an den Hochschulen der SBZ/DDR, Frankfurt am Main: Peter Lang 2011.
Hütt, Wolfgang: Gefördert. Überwacht. Reformdruck bildender Künstler der DDR. Das Beispiel Halle, Dößel: Janos Stekovics 2004.

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