Deutschsprachiges Exiltheater in der Sowjetunion

Fotografie: Curt Trepte mit Plakat, 1937
Der Schauspieler und Regisseur Curt Trepte malt das Plakat für Henrik Ibsens Nora am Deutschen Staatstheater Engels. Eigenaufnahme von Curt Trepte, 1937
Akademie der Künste, Berlin, Sammlung Exil (Ost) SU.III.23.e.1, Mit freundlicher Genehmigung von Giselher Trepte

Deutschsprachiges Exiltheater in der Sowjetunion

Dieses Theater müßte zur Konzentration der geistigen Kräfte führen, die erstklassigen Künstler sammeln, die gezwungen waren, Deutschland zu verlassen und jetzt in ganz Europa, Prag, Wien, Paris, Kopenhagen zerstreut sind.

Erwin Piscator in der Leningrader Roten Zeitung, 24. Juli 1933  


Die Sowjetunion bot bis zur Mitte der 1930er-Jahre Schauspielern, Regisseuren und Theatermusikern gute Aufnahmebedingungen als Exilland. Es gab in der Bevölkerung des Landes, im Kaukasus, in der Ukraine, in der Wolgadeutschen Republik, deutschsprachige Minderheiten und auch deutsche Facharbeiter, die einige Jahre in der Sowjetunion arbeiteten. Für sie sollte und konnte antifaschistisches Theater gespielt werden.

Erwin Piscator, seit 1931 mehrmals zur Verfilmung von Anna Seghers’ Roman Aufstand der Fischer von St. Barbara in der Sowjetunion gewesen, wurde 1933 in Moskau zum Präsidenten des Internationalen Revolutionären Theaterbundes (IRTB) gewählt. Piscator regte viele neue Projekte an. Allerdings kam ein geplantes Deutsches Theater mit einem festen Haus in Moskau nicht zustande.

Zwischen 1933 und 1937 gab es vier Bühnen für Theater-Emigranten: Das Deutsche Theater „Kolonne Links“ Moskau, die Wandertruppe Deutsches Gebietstheater Dnjepropetrowsk, das Deutsche Kollektivistentheater Odessa und das Deutsche Staatstheater in Engels. Zum Alltag gehörten auch Tourneen. Man spielte klassisches Bühnenrepertoire von Molière bis Ibsen, erfand eigene Texte auf der Grundlage deutscher Dramen von Goethe bis Büchner. In der Gegenwartsdramatik wurden oft Werke Friedrich Wolfs aufgeführt. Die Schauspieler wechselten von einer Truppe zur anderen, die Regisseure inszenierten auch Stücke an kleinen russischen Bühnen. Andere arbeiteten mit dem sowjetischen Film zusammen oder als Sprecher beim Moskauer Rundfunk.

Die Theaterprojekte wurden 1937 abgebrochen, als im Zusammenhang mit dem stalinistischen Terror für fast alle deutschen Emigranten eine Zeit der Verfolgung und der Flucht in andere Länder begann.

Weiterführende Literatur:
Diezel, Peter: Theater im sowjetischen Exil. In: Mittenzwei, Werner / Rischbieter, Henning / Schneider, Hansjörg / Trapp, Frithjof (Hg.): Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters. Bd. 1. Verfolgung und Exil deutschsprachiger Theaterkünstler. München: K. G. Saur 1999, S. 289 – 318

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