Rudolf Arnheim, Manuskript zu "Eine verkehrte Welt", 1939

Rudolf Arnheim: Eine verkehrte Welt
DLA Marbach, © Professor Dr. Rudolf Arnheim

Rudolf Arnheim, Manuskript zu "Eine verkehrte Welt", 1939

Junges Museum

Die Entstehung einer „verkehrten Welt“

Nachdem Rudolf Arnheim am 15. Juli 1904 in Berlin das Licht der Welt erblickte, lebte er bis zu seinem 29. Lebensjahr wie jeder andere. Der Nationalsozialismus veränderte auch sein Leben: 1933 floh er, als verfolgter Jude, vor den Nazis nach Rom.

1939 fing er an, an dem Manuskript Eine verkehrte Welt zu arbeiten. Es saß damals an diesem Werk, ohne sich ablenken zu lassen. Nichts hielt ihn auf. Er arbeitete in einem kleinen Raum. Beleuchtet wurde dieser von einer einzigen Lampe, die neben seinem Schreibtisch stand. Plötzlich erfüllte ein schrilles, Gänsehaut erregendes Geräusch den Raum. Die Nazis bombardierten die Stadt! Doch Rudolf Arnheim ließ sich nicht beunruhigen, ignorierte den Alarm und schrieb weiter. Nach einer Weile floh auch er voller Panik in den Keller.  Dort wurde er von Gefühlen förmlich überschwemmt, doch nicht von guten. Es war Trauer, die ihn überkam, Trauer wegen all der Menschen, die bereits sterben hatten müssen oder es noch mussten. Hass gegenüber Hitler und seinen Anhängern. Und Wut auf die Menschen, die Leute töteten, folterten oder vergasten, nur weil sie einer andern Religion angehörten. So schrieb er in diesem kalten, schmutzigen Keller. Er schrieb über seine Gedanken, Gefühle und die anderen Menschen, die im Keller Schutz suchten. Plötzlich hörten sie eine Explosion, Putz regnete von der Decke und Mrs. Lou tröstete ihren kleinen Sohn, der sofort anfing zu heulen. Alle Menschen bangten um ihr Leben und um das ihrer Lieben.

Das Manuskript wurde zwar noch im selben Jahr fertig, doch veröffentlicht wurde es erst im Jahr 1997. Zehn Jahre nach der Veröffentlichung starb Rudolf Arnheim im Alter von 102 Jahren, doch sein Vermächtnis wird immer an ihn erinnern.

von Jannis Pfahler