Fotografie: Joseph Roth und Bekannte im Café
Der österreichische Schriftststeller Joseph Roth (1.v.l.) im Kreise seiner niederländischen Freunde in Amsterdam, 1936; neben ihm (v.l.n.r.) die Künstler und Intellektuellen Frans Hannema, Charles Nypels, Charles Roelofsz, Joop Sjollema und Maurits Mok, Fotografie: Wiel van der Randen
Leo Baeck Archive, New York
Sonderausstellung: Max Beckmann

Niederlande

Hier bin ich nicht besonders glücklich […], ganz abgesehen davon, daß man geschäftlich nirgends hereinkommt, und die Zeitungen sich absolut gegen die Mitarbeit von Emigranten sperren […]. So sind die Menschen – sie könnten zwar noch schlimmer sein ([…] im lieben Deutschland sind die es!) – ganz nett für den Besucher, weniger nett für den, der unter ihnen zu wohnen gezwungen ist.

Georg Hermann, emigrierter deutscher Schriftsteller, in einem Brief an seine Tochter aus den Niederlanden, 22. Oktober 1934


In den ersten Monaten nach der Machtübernahme Hitlers überquerten mutmaßlich rund 15.000 deutsche Flüchtlinge – vorwiegend getarnt als Touristen oder Durchreisende – die Grenze zu den Niederlanden. Nach dem Ende der ersten nationalsozialistischen Terrorwelle kehrten vor allem jüdische Exilierte zunächst in die Heimat zurück – auch, da die Bedingungen für einen Verbleib im Nachbarland nicht geeignet schienen. Ab 1935 stellte zum Beispiel die Amsterdamer Fremdenpolizei nur noch vorläufige Aufenthaltsgenehmigungen aus. Die Ausübung unerwünschter politischer Aktivitäten wurde ebenso mit der Ausweisung sanktioniert wie eine unrechtmäßige Einwanderung oder finanzielle Mittellosigkeit. Eine Arbeitserlaubnis wurde nur für bestimmte Berufe erteilt, von Emigranten gegründete Unternehmen waren strengen Regelungen unterworfen. Der Staat leistete keine finanziellen Beihilfen, so dass die Exilierten auf private Unterstützung und Hilfe angewiesen waren. Zu einem massiven Zustrom von Flüchtlingen kam es infolge der Pogromnacht im November 1938.

Jüdische Flüchtlinge wurden bereits vor dem Überall der Wehrmacht auf die Niederlande in Lager verbracht. Nach der Besetzung der Niederlande im Mai 1940 befanden sich noch ungefähr 20.000 Flüchtlinge im Land, von denen viele bis Kriegsende Opfer nationalsozialistischer Verbrechen wurden.

Große Bedeutung erlangte das Land und vor allem die Hauptstadt Amsterdam als Exilort zahlreicher emigrierter deutscher Künstler und Kulturschaffender: Zu jenen, die nach 1933 dort Aufnahme fanden, zählten unter anderem der Maler Max Beckmann, der Dirigent Bruno Walter und der Theaterregisseur Max Reinhardt, ebenso Schriftsteller wie Klaus Mann, Georg Hermann oder Joseph Roth. In den beiden in Amsterdam ansässigen Verlagen Querido und Allert de Lange, die nach 1933 ihr deutschsprachiges Programmangebot massiv ausweiteten, fanden zahlreiche vertriebene Schriftsteller eine neue publizistische Heimat, darunter Lion Feuchtwanger, Vicki Baum, Alfred Döblin und Arnold Zweig. Bei Querido erschien zwischen 1933 und 1935 auch Klaus Manns kontroverse Exilzeitschrift Die Sammlung. Bis 1940 wurden insgesamt 650 exilierte Autoren in den Niederlanden gedruckt. Eine Zensur fand nicht statt, jedoch wurden aus Rücksicht auf die diplomatischen Beziehungen zum mächtigen Nachbarn vereinzelt politisch brisante Passagen abgemildert. Neben dem kulturellen Bereich waren die Niederlande auch für das politische Exil von Bedeutung. Die Niederlande waren „ein Zentrum illegaler Zusammenarbeit zwischen politischem Exil und innerdeutschem Widerstand, von den Kommunisten, Sozialisten aller Schattierungen bis zur Bündischen Jugend […]“, fassen Ursula Langkau-Alex und Hans Würzner die Bedeutung zusammen (Niederlande. in: Handbuch der deutschsprachigen Emigration, S. 326).

Weiterführende Literatur:
Langkau-Alex, Ursula / Würzner, Hans: Niederlande: In: Krohn, Claus-Dieter u.a. (Hg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933-1945. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1998, S. 321-333

Galerie