Thomas Mann: Offener Brief in der Neuen Zürcher Zeitung vom 3. Februar 1936
Der deutsche Judenhaß aber, oder derjenige der deutschen Machthaber, […] ist der (im Austritt aus dem Völkerbund symbolisierte) Versuch einer Abschüttelung zivilisatorischer Bindungen, der eine furchtbare, eine unheilschwangere Entfremdung zwischen dem Lande Goethes und der übrigen Welt zu bewirken droht.
Thomas Mann, Offener Brief in der Neuen Zürcher Zeitung, 3. Februar 1936
In den ersten drei Jahren seines schweizerischen Exils hatte Thomas Mann sich in politischen Belangen weitgehendes Schweigen auferlegt. Der Entschluss, zunächst nicht in offene Opposition zum NS-Regime zu treten, nährte sich aus der Rücksicht auf seinen Berliner Verleger, aus dem Wunsch der Bewahrung seines deutschen Publikums sowie aus der Hoffnung auf die Rückerlangung seines konfiszierten Vermögens. Erst als durch den Umzug des Fischer-Verlags nach Wien 1936 seine publizistische Zukunft zumindest vorerst gewahrt schien und Mann zudem erfolgreich die tschechischen Staatsbürgerschaft beantragt hatte, entschied er sich auf Drängen seiner Familie zu einer offenen Stellungnahme. Den konkreten Anlass dazu lieferte ein Artikel des Feuilletonredakteurs Eduard Korrodi, der sich in der Neuen Zürcher Zeitung am 26. Januar 1936 geringschätzig über die ins Exil gegangenen deutschen Schriftsteller geäußert hatte. In seiner Erwiderung formulierte Thomas Mann seine „tiefe, von tausend menschlichen, moralischen und ästhetischen Einzelbeobachtungen und -eindrücken täglich gestützte und genährte Überzeugung, daß aus der gegenwärtigen deutschen Herrschaft nichts Gutes kommen kann, für Deutschland nicht und für die Welt nicht“.
Am gleichen Tag notierte er in sein Tagebuch: „Ich bin mir der Tragweite des heute getanen Schrittes bewußt. Ich habe nach 3 Jahren des Zögerns mein Gewissen und meine feste Überzeugung sprechen lassen. Mein Wort wird nicht ohne Eindruck bleiben.“ Im Dezember 1936 wurde Thomas Mann, seiner Frau Katia sowie den Kindern Golo, Elisabeth und Michael die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Der Gesandte des Auswärtigen Amts in der Schweiz, Ernst von Weizsäcker, äußerte gegen diese Maßnahme keine Bedenken.