Emma Kann: Heimatlos. (1933)
Emma Kann: Heimatlos. (1933)
Als ich mir das Gedicht durchlas, war mir sofort klar, dass der Mensch, der das geschrieben hatte, verzweifelt und voller Wut war. Es gibt viele schlimme Dinge auf der Welt, doch eines der schlimmsten ist, wenn man nicht weiß, wohin man gehört und wohin man gehen kann, wenn man nicht akzeptiert wird, nur weil man anders ist. Und das sogar in dem Land, in dem man geboren und aufgewachsen ist, in dem Land, das man seine Heimat nennt. Wenn das Vaterland, von dem du geprägt bist, dich nicht mehr haben will, dich verjagt, wer will dich dann?
Emma Kann schreibt in ihrem Gedicht, dass sie zurück könnte, dass es nicht weit sei, doch niemand will sie dort. Die Menschen und überhaupt alles ist ihr dort so fremd geworden. Sie ist verbittert und hat Angst. Zu Recht, denn wohin soll sie gehen? Wer will sie haben? Niemand – nur weil sie nicht der Vorstellung sadistischer Menschen entspricht. Die Menschen, die sagen könnten: "Stopp! Was ihr sagt, ist doch dumm und lächerlich!", diese Menschen folgen stillschweigend. Und das soll der Grund sein, dass sie nicht mehr nach Hause, in ihr geliebtes Vaterland kann? Leider ja.
Dieses Gedicht ist wie eine Zeitkapsel ihrer Gefühle, ihrer Gedanken und ihrer hoffnungslosen Lage. Wie betäubt und tot muss sich Emma Kann gefühlt haben? Wie muss es sein, zu leben und dabei doch nicht – weil es keinen Platz gibt, keine Menschen, die mit einem leben, und kein Land, hinter dem man stehen kann. Kann man so existieren?
Das einzige, was Emma Kann in ihrer bedauernswerter Lage bleibt, ist aufzuschreiben, was die Welt nicht sieht oder nicht sehen möchte, was sie fühlt: Es kann und darf nicht sein, dass ein Mensch in so einer misslichen Lage ist. Emma Kann war stark und schrieb alles auf. Das war es, was ihr Kraft gab weiterzumachen und aufzustehen und nicht am Boden liegen zu bleiben, ertränkt in Selbstmitleid.
Yael